Aus Niederämter Sicht
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen

In seinem Text erweist unser Kolumnist der entlegensten Niederämter Gemeinde Kienberg die Ehre – beinahe einer Ode gleich. Zudem wird die Bevölkerung auf ein Versäumnis aufmerksam gemacht. Noch ist es nicht zu spät.

Christian von Arx*
Christian von Arx*
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Fleck mit Weitblick: der Aussichtspunkt «Burg» bei Kienberg.

Fleck mit Weitblick: der Aussichtspunkt «Burg» bei Kienberg.

Bild: Bruno Kissling

Dieses Jahr steht dem Niederamt ein rundes Jubiläum bevor. Am 7. Dezember 1523 verkaufte der Ritter Hans Ulrich von Heidegg die Herrschaft Kienberg für 3300 Gulden an die Stadt Solothurn. Ich habe zwar keine Vorstellung, welchen Wert dieser Geldbetrag damals verkörpert haben mag. Aber egal, das war ein guter Deal! Herzlichen Dank postum dem edlen Herrn von Heidegg, und auch den Herren von Solothurn muss ich für einmal – ungern – auf die Schultern klopfen.

Für Kienberg hätte es damals zweifellos auch andere Interessenten gegeben. Etwa den gefrässigen Berner Bär oder die finanzstarken Stadtherren von Basel, mit denen Solothurn noch lange um Oltingen und Wisen stritt. Aber die wahrscheinlichste Variante ist, dass die Herrschaft Kienberg ohne den taffen Zugriff Solothurns im unüberschaubaren Portefeuille des Hauses Habsburg gelandet wäre, einer Weltmacht. Die Nachbargemeinden im Fricktal waren schon lange habsburgisch und blieben es bis 1798. Tatsächlich maulten die Habsburger wegen des Verkaufs von Kienberg noch jahrelang herum, aber Solothurn liess sich nicht mehr über die Saalhöhe vertreiben.

Die Solothurner des Jahres 1523 stelle ich mir als aufstrebende Bürger vor, tollkühn, abenteuerlustig, frech. Zwei Generationen zuvor hatten sie, mit Hilfe von Bruder Klaus, die halbwegs gleichberechtigte Aufnahme in die Eidgenossenschaft geschafft. Stets bedrängt von Bern, versuchten sie sich rundum unter den Nagel zu reissen, was es noch zu holen gab. Und das waren damals vor allem Flühe und Tannen nördlich des Jura-Hauptkamms. Darum gehören seit jener Zeit Thierstein und Dorneck zu Solothurn, das Schwarzbubenland, ohne das ich mir diesen Kanton gar nicht vorstellen mag.

Bestimmt hoffte Solothurn, noch weitere Eroberungen im Fricktal tätigen zu können. Doch jetzt war Habsburg gewarnt. Am Ende blieb Kienberg im Kanton ein Einzelstück, ein isolierter Vorposten, nur auf gut 100 Metern ans übrige Solothurner Gebiet (Erlinsbach) anstossend. Mit dem Kauf von Kienberg hatte die Vogtei Gösgen ihre grösste Ausdehnung erreicht. Spätere Veränderungen waren nur noch Verluste: Solothurn trat seine Rechte an Safenwil und Uerkheim den Bernern ab, diejenigen in Oltingen an Basel, Gott sei’s geklagt.

Der Handel vom 7. Dezember 1523 bedeutet, dass Kienberg seit 500 Jahren solothurnisch und damit auch eidgenössisch ist. Ich finde, das gehört gefeiert. Aber aus gut unterrichteter Quelle habe ich vernommen, dass am Ort nichts geplant ist. Nichts! Liebe Kienberger, wollt ihr denn bis zum Jahr 2523 warten? Euer schönes Dorf wird es auch dann noch geben, da hab ich keine Angst. Aber für den Kanton Solothurn würde ich nicht die Hand ins Feuer legen, nicht einmal für die Eidgenossenschaft.

Kienberg ist eine Perle des Niederamts. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, noch nicht dort waren oder schon lange nicht mehr: Gehen Sie hin, kehren Sie ein, schauen Sie sich die schöne Dorfkirche an mit der schwarzen Madonna à la Einsiedeln, besuchen Sie das Schutzgebiet von Pro Natura in der ehemaligen Gipsgrube, und vor allem: Wandern Sie! Von der Saalhöhe zum Heimatlosenplatz, von der Ruine Kienberg zur Ruine Heidegg, und weiter zum Rastplatz auf der «Burg» (ein tolles Foto war kürzlich im OT!). Sehen Sie selbst, wo der erste Windpark im Niederamt entstehen soll.

Kurz: Mit Kienberg haben auch wir Niederämter etwas zu feiern. Wer weiss, vielleicht ist ja am Abend des 7. Dezember das Kienberger «Rössli» offen. Mit oder ohne Segen der Obrigkeit: Da könnte man ja anstossen, auf 500 Jahre Niederamt mit Kienberg.

*Christian von Arx ist heute Chefredaktor des römisch-katholischen Pfarrblatts «Kirche heute». Er war langjähriger OT-Redaktor und lebt in Schönenwerd.