Aus Niederämter Sicht
Kein WIR und IHR

Antje Kirchhofer-Griasch
Drucken

Gaetan Bally (Symbolbild)

«Jede Segnung, die die Kirche einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe zwischen zwei Erwachsenen gleich welchen Geschlechts spendet, ist in gleicher Weise sakramental.» Dieser Satz wurde der Nationalsynode der Christkatholischen Kirche der Schweiz, die am vergangenen Freitag und Samstag in Thun zusammengekommen war, zur Stellungnahme vorgelegt. Ich selbst bin als Pfarrerin in Schönenwerd-Niedergösgen Mitglied der Nationalsynode. Die Frage nach der «Ehe für alle» in unserer Kirche treibt uns schon seit ein paar Jahren um.

Dabei war schnell klar, dass die zivile «Ehe für alle» ohne grosse Debatte befürwortet wurde. Aber wie wollen wir diese zu erwartende Neuerung in der Kirche umsetzen? Bisher haben gab es für eingetragene Paare eine kirchliche Segnung. Alle Ehepaare dagegen wurden kirchlich getraut. Müssten wir in Zukunft kirchlicherseits Unterschiede machen zwischen all den Paaren, die staatlich heiraten, und sie beispielsweise explizit nach ihrem Geschlecht fragen? Oder sollten wir die kirchliche Ehe für alle Paare öffnen? Dürfen wir das? Wie verhält sich das zu unserer Tradition und welche Auswirkungen könnte das haben, zum Beispiel auf unsere ökumenischen Beziehungen?

Das Thema hat uns als Kirche sehr viele hilfreiche Diskussionen beschert, zum Beispiel die Frage: Was ist das eigentlich, die kirchliche Ehesegnung? Was macht sie aus? Was ist der «Mehrwert» gegenüber der Ziviltrauung? Diese Fragen hätten wir uns schon lange stellen können, haben es aber nicht gemacht. Jetzt sind wir auf dem Weg, uns unsere Ehe-Bilder bewusst zu machen, für alle mehr Klarheit zu schaffen und ein aktualisiertes Eheverständnis zu erarbeiten. Und das ist für alle ein Gewinn.

An der Nationalsynode wurden alle Synodalen aufgerufen, Stellung zu beziehen, ob es einen Unterschied zwischen den Ritualen für verschiedene Paare geben soll oder nicht. Im Grunde lautete die Frage aber: Sind die Paare verschieden oder nicht? Dabei wurde in der Diskussion deutlich: Ja, Paare sind verschieden, aber das Geschlecht beziehungsweise die sexuelle Orientierung der PartnerInnen sind nur ein Aspekt dabei. Alle Paare sind verschieden. Sie sind verschieden alt, manche heiraten zum ersten Mal, manche bringen Kinder mit in die Beziehung, manche haben unterschiedliche kulturelle Hintergründe und vieles mehr.

Da hat es mich erschreckt, als in der Debatte die Meinung geäussert wurde, dass die gleichgeschlechtlichen Paare mit dem bisher Erreichten doch zufrieden sein sollten und nicht auch noch fordern sollten, kirchlich heiraten zu dürfen: «Warum wollen sie sein wie wir?»

Ich bin überzeugt, es gibt kein WIR. Und auch kein SIE. Wenn wir das denken, teilen wir Menschen und Paare in Schubladen ein und schaffen Differenzen. Aus welchem Grund sollten wir das tun? Wer soll dieses WIR sein, wenn es da noch ein SIE gibt?

Zur «Ehe für alle» ist in der Christkatholischen Kirche noch nichts definitiv beschlossen, wohl aber auf einen, aus meiner Sicht, guten Weg gebracht. Es war ein feierlicher Moment in der Ersten Lesung letzte Woche, für die kirchliche «Ehe für alle» aufzustehen und dazu ja zu sagen.

Ich wünsche mir, dass auch in Zukunft in der Stiftskirche in Schönenwerd Paare kirchlich getraut werden und es keine Rolle mehr spielt, welches Geschlecht sie haben. Wichtig würde dann nur noch sein, wer diese zwei Menschen sind, was sie ausmacht, dass sie sich lieben und dass sie sich Gottes Segen für ihre Lebenspartnerschaft wünschen.

Antje Kirchhofer-Griasch lebt in Aarau. Sie ist Pfarrerin in der christkatholischen Kirchgemeinde Schönenwerd-Niedergösgen.