Aus Niederämter Sicht
Det äne am Chuenisbärgli

Raphaela Glättli-Gysi
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Während in Solothurner Schulen Maskenpflicht gilt, werden in den Bergen Skifeste gefeiert.

Während in Solothurner Schulen Maskenpflicht gilt, werden in den Bergen Skifeste gefeiert.

Valentin Hehli (Archiv)

Eitel Sonnenschein übers letzte Wochenende, auch während der Altjahreswoche war das Skiwetter perfekt. Bilder von Aussenterrassen in den mondänen Skiorten hinterliessen bei mir etwas einen fahlen Nachgeschmack, haben doch soeben befreundete Familien die Weihnachtstage in Quarantäne oder sogar Isolation verbracht.

Dann feierten 12’000 Leute meist ohne Abstand und Maske mit Marco Odermatt seinen souveränen Sieg im Slalom am Ski Weltcup in Adelboden. Der zweitplatzierte Österreicher, Manuel Feller, brachte ob der jubelnden Menge auf den Punkt, was viele wohl sehr skeptisch betrachteten: «Die Schweiz versucht alles in einem Tag durchzuseuchen!» Ich hatte mir im Mai 2020 nach dem Lockdown geschworen, dass ich nie direkt über Covid-19 schreiben wolle, aber jetzt denke ich, ist es Zeit für solche Gedanken.

Zur gleichen Zeit wie die Bilder aus Adelboden in der Welt Kopfschütteln verursachten, erhielten wir von der Schule die erweiterten Sicherheitsmassnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Vorgegeben sind die Massnahmen durch den Kanton. Die ersten zwei Wochen nach den Weihnachtsferien gelten als Sicherheitswochen: PCR-Pooltests sollten weiterhin jeden Montag durchgeführt werden, die Teilnahme ist immer noch nicht verpflichtend, ab der 3. Klasse gilt Maskentragepflicht. Da sich diese Massnahme schlecht mit dem Turnunterricht verträgt, findet dieser draussen statt, was ich gut finde. Besser als nichts. Sogar der Fussballverein, in welchem unser Sohn mitkickt, verhält sich vorbildlich und lässt das Training für alle Mannschaften zwei Wochen ruhen.

Andere private Freizeitangebote in der Region haben das Training schon wieder aufgenommen, was ich durchaus auch nachvollziehen kann. Insbesondere, wenn die Institutionen damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Als Mutter habe ich mich dann aber entschieden, auch hier unser Kind noch nicht hin zu schicken.

Soweit, so gut. Nun haben wir aber nicht nur einen Drittklässler sondern auch eine Erstklässlerin. Sie müsste keine Maske anziehen, der einzige für mich nachvollziehbare Grund dafür ist es, dass sie beim Lesen lernen verstanden werden. Auf dem Schulweg und zuhause sind beide logischerweise ohne Maske unterwegs. Das Ganze wird skurril, wenn man hört, dass im Schulchor ein oder zwei Kinder Maske tragen sollen, da sie de facto in der dritten Klasse oder höher sind.

Singen auf dieser Stufe mit Maske ist weit weg von einer vernünftigen Realität, wenn am Chuenisbergli und kommendes Wochenende Tausende in Wengen ohne Masken johlen. Wie es der Zufall wollte, war prompt der eine Klassen-Pool unserer Tochter am Montag positiv. Ob das eine positive Kind in der Klasse unwissentlich bis zum Erhalt des Pool-Resultats noch andere angesteckt hat, werden wir spätestens nächsten Dienstag nach dem nächsten Pool-Test wissen. Das nenne ich «take the risk».

Aus dem Nachbarkanton wurde ich erstaunt gefragt: «Was, ihr spuckt noch?» Dort gilt dafür Maskenpflicht ab der ersten Klasse. Auch wenn ein kantonsübergreifender, einheitlicher Massnahmenkatalog wünschenswert wäre, ob nun der eine oder andere Weg weniger Infektionen generiert, wird sich kaum deutlich zeigen. Ich bin der Meinung, es ist Zeit für eine neue Risikoabschätzung.

Diese hat der Bundesrat jetzt gemacht und erst mal die Quarantäne- und Isolationsdauer verkürzt, da man schon weiss, dass die Inkubationszeit bei der neuen Virusvariante kürzer ist. Er nennt es «pragmatische Strategie mit Risiken». Die Fünf-Tage-Quarantäne hilft nicht nur dabei, dass die Wirtschaft bei den zig Omikron-Infektionen nicht zum Erliegen kommt, sondern eben auch den Schulkindern und Lehrpersonen, welche so allmählich zu einem normalen, unbeschwerteren Schulalltag zurückkehren dürfen.

Raphaela Glättli-Gysi leitet ECAP-Sprachkurse für Migrierte und wohnt mit ihrer Familie in Lostorf.

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