Mobilfunkanbieter rüsten in der Region Solothurn auf. Derweil wehren sich noch immer Gruppen und Einzelkämpfer gegen die Funkantennen. In der Regel ist die Opposition aber zwecklos.
Viel Geschirr ist zerschlagen worden, viele Rechtshändel wurden ausgefochten. Doch nach Jahren des Widerstands aus der Dorfbevölkerung können die Firmen Orange und Sunrise endlich ihre Mobilfunkanlage neben den Schulsportplatz in Günsberg stellen. Seit letztem Herbst liegt die Baubewilligung vor. Zwar sind die Baumaschinen noch nicht aufgefahren. Doch für den lokalen Verein Günsberg ohne Mobilfunkantenne auf dem Schul- und Sportplatz «Gomas», der sich bis vor Bundesgericht gegen die Anlage gewehrt hat, ist es eine Niederlage: Der Vereinszweck, die Antenne zu verhindern, wurde nicht erfüllt.
Das Schweizer Umweltschutzgesetz kennt das Vorsorgeprinzip: Demnach wird der Grenzwert für Mobilfunkanlagen mit gemischter Frequenz viel tiefer angesetzt als in den Nachbarländern. In Gebieten, in denen sich Personen aufhalten, beträgt der Grenzwert 50 Volt pro Meter.
Die Schweizer Behörden setzen den Wert an Orten mit empfindlicher Nutzung zehn Mal tiefer an, auf 5 Volt pro Meter. Dieser Wert gilt in Schulzimmern, Krankenzimmern, Altersheimen, Wohn- und Schlafräumen sowie an ständig besetzten Arbeitsplätzen und auf Kinderspielplätzen. (crs)
Präsident Patrik Galli, den diese Zeitung auf dem Handy erreicht, spricht trotzdem von einem Erfolg: «Wir konnten die Menschen aufklären und sensibilisieren, sich mit der Strahlenbelastung auseinanderzusetzen.» Noch immer hat der Verein mehrere hundert Mitglieder. Er sei nicht grundsätzlich gegen Handys, sagt Galli, aber er sei dagegen, dass eine Antenne in der Nähe von spielenden Kindern aufgestellt wird. Komme hinzu: Die Antenne in Günsberg werde eine Leistung von rund 10 000 Watt aufweisen. «Unsere Spezialisten sind der Meinung, dass 1000 Watt für unsere Region reichen würden», sagt Galli.
Nun thematisiert der Bundesrat die Erhöhung der gesetzlichen Grenzwerte zum Strahlenschutz. Demnach könnten Antennen stärker strahlen (wir berichteten). Noch ist nichts beschlossen, doch Antennengegner aus der Region sind aufgerüttelt. Trotzdem werde man nicht aktivistisch tätig werden, wenn die Anlage gebaut wird, sagt Galli. «Wir werden aber weiterhin jede rechtliche Möglichkeit ausschöpfen.» Die Gemeindebehörden hat «Gomas» jedenfalls auf ihrer Seite: «Wir wollen an diesem Standort keine Antenne», unterstreicht Gemeindepräsident Thomas Jenni. Deshalb werde man den Mietvertrag mit Orange/Sunrise künden, sobald dies möglich sei. Frühestens 2023 müsste die Mobilfunkantenne, die noch gar nicht steht, also wieder abgerissen werden.
Lediglich über Funkantennen mit sehr kleiner Sendeleistung verfügt Lommiswil. An der Gemeinde am Jurafuss beissen sich die Mobilfunkanbieter bis heute die Zähne aus. Das zeigen vergebliche Anläufe in den letzten Jahren, eine Anlage zu bauen. Immer wieder wehrten sich Anwohner. Zuletzt versuchte es Orange, die nach juristischen Verfahren nun eine Baubewilligung erhalten hat. «Die Bewilligung ist aber unbenutzt verstrichen», sagt Gemeindepräsidentin Erika Pfeiffer.
In Lommiswil ist der Bau von Natelantennen sogar gesetzlich beschränkt: Im Zonenreglement steht, dass Antennenmasten innerhalb der Kernzone nicht höher als 20 Meter gebaut werden dürfen. Dass die Funkverbindung in den Lommiswiler Häusern nach wie vor nicht gewährleistet ist, stört dem Vernehmen nach vor allem Handwerker: Wenn sie im Dorf arbeiten, sind sie nur schwer telefonisch zu erreichen.
Ebenfalls wenig Elektrosmog gibt es in Deitingen. Im bewohnten Teil des Wasserämter Dorfes gibt es gerade mal eine Funkantenne beim Bahnhof. Es ist eine Anlage mit geringer Sendeleistung. «Die geringe Strahlenbelastung ist ein Vorteil», sagt Vizegemeindepräsident Daniel Schreier. Deitingen könne so für elektrosensible Menschen ein bevorzugter Wohnort werden.
Markus Gugler beschäftigt sich beruflich mit den Strahlungen, die im Fachjargon «nicht ionisierende Strahlungen» heissen. Mit seiner Firma Ned-Tech GmbH mit Sitz in Deitingen misst er die Strahlen und wertet sie aus. Kunden sind Privatpersonen, Firmen, Gemeinden oder Kantone. So wollte etwa die Gemeinde Deitingen wissen, wie hoch die Immissionen elektromagnetischer Felder im Dorf sind. Resultat: Es gibt nur wenig Elektrosmog. Kürzlich hat Gugler im Schulhaus Deitingen zudem die WLAN-Strahlung gemessen und die Schule bei der Installation der Antennen beraten, damit Schülerinnen und Schüler den Strahlen möglichst wenig ausgesetzt werden.
Ob den Strahlenjäger Gugler mehr Arbeit erwartet, wenn der Bundesrat den Strahlengrenzwert lockert, weiss er nicht. Für ihn ist aber klar: Wo intensiv Daten- und Streaming-Dienste genutzt und somit grosse Datenvolumen übertragen werden, muss die Kapazität der Mobilfunknetze angepasst werden. «Das wird von den Nutzern quasi aufgezwungen.» Das heisst: Der Strahlenschutz-Grenzwert muss gelockert werden. Bleibt der Grenzwert indes bestehen, müssten massiv mehr Mobilfunkanlagen gebaut werden. «Eine höhere Kapazität ist heute eine Notwendigkeit», sagt Gugler.
Blosses Telefonieren und das Versenden von kleinen Bildern funktioniere zwar auch mit eher geringen Kapazitäten. «Heute werden die Netze von der breiten Bevölkerung jedoch für deutlich anspruchsvollere Dienste genutzt», weiss der Fachmann.
Klar ist: Wenn ein Baugesuch den gesetzlichen Bestimmungen entspricht und eine Antenne nicht stärker strahlt als erlaubt, dann haben Einsprachen kaum eine Chance. Erst kürzlich waren Antennengegner in Wolfwil wieder vor Gericht abgeblitzt.
Im Kanton Solothurn ziehen die Baugesuche für neue Mobilfunkanlagen leicht an. Das sagt Martin Stocker, der beim kantonalen Amt für Umwelt für die Auswirkungen von Lärm und Elektrosmog zuständig ist. 2012 waren es 2 Gesuche, 2013 gingen 8 Gesuche ein, letztes Jahr 7 Gesuche und in den ersten zweieinhalb Monaten dieses Jahres waren es bereits 5 Baugesuche. Dazu kommen zahlreiche Änderungen an bestehenden Anlagen, etwa für Leistungserhöhungen.
«Die grossen Ausschläge sind aber vorbei», sagt Stocker. In den vergangenen Jahren haben die Mobilfunkanbieter ihre wichtigsten Anlagen eher auf das schnelle 4G/LTE-Netz umgerüstet. Dabei wurde der Fokus auf die Ballungszentren gelegt. In ländlichen Gebieten bleibe die GSM-Technologie wohl noch länger aktuell. Will ein Mobilfunkanbieter eine Anlage bauen, prüft der Kanton die Strahlenwerte. Danach kontrolliert das Amt für Umwelt die Strahlungen jährlich stichprobenartig, indem in den Steuerzentralen der Mobilfunkanbieter die Daten kontrolliert werden. Messungen vor Ort werden üblicherweise nur bei Abnahmemessungen durchgeführt. (crs)