Däniken
AKW Gösgen holt sich Konzession zur Wassernutzung auf den letzten Drücker

Das Kernkraftwerk Gösgen bekam das erneuerte Recht auf die Wassernutzung erst eine Woche vor Ablauf des alten.

Balz Bruder
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SP-Nationalrat Philipp Hadorn wittert hinter der Bewilligung zur Entnahme von Kühlwasser für das Kernkraftwerk Gösgen aus der Aare ein abgekartetes Spiel.

SP-Nationalrat Philipp Hadorn wittert hinter der Bewilligung zur Entnahme von Kühlwasser für das Kernkraftwerk Gösgen aus der Aare ein abgekartetes Spiel.

Raphael Hünerfauth

Fast schien es so, als sei der Brandschutz derzeit das einzige Thema, das die Gemüter rund um das Kernkraftwerk Gösgen (KKG) umtreibt. Doch es ist nicht ganz so. Es gibt ein zweites Thema, das für den Betrieb der Anlage ebenfalls zentral ist. Am 29. September 1978 hatte der Kanton Solothurn dem KKG eine Bewilligung für die Entnahme und Rückgabe von Kühlwasser aus der Aare erteilt. Dauer: 40 Jahre - exakt die erwartete sichere Funktionsfähigkeit des Werks. Folglich ist die Wassernutzungskonzession präzis am 28. September 2018 abgelaufen. Deshalb fragte der Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn den Bundesrat am 19. September an, ob Gösgen am 29. September abgeschaltet werde oder ohne Bewilligung weiter betrieben werde.

Beides ist nicht der Fall: Der Betrieb läuft wie zuvor – und die von der Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG anbegehrte neue Konzession ist da. Sie datiert vom 20. September – just ein Tag, nachdem Hadorn seine Anfrage an den Bundesrat gerichtet hat. Das Gesuch war zwar schon Mitte März 2017 eingereicht worden, aber erst Anfang Juli 2018 vervollständigt und in der Folge in vergleichsweise kurzer Zeit geprüft und genehmigt worden.

Allfälligen Beschwerden wurde aufschiebende Wirkung entzogen

Pikant an der Sache: Es gab Einsprachen gegen das Vorhaben – deren Anliegen in der Folge zum Teil erfüllt, zum Teil abgewiesen wurden. Allerdings wurde allfälligen Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht vorsorglich die aufschiebende Wirkung entzogen. Das heisst: Auch im Beschwerdefall ändert sich nichts an der bewilligten Entnahme und Rückgabe von Kühlwasser, am Betrieb einer Grundwasserfassung und an der Geschwemmselrückführung. Was im Klartext bedeutet, dass der Betrieb des KKG in jedem Fall wie bisher weiterlaufen kann.

Für den Gerlafinger Nationalrat Hadorn steht die Frage im Raum, ob es sich um ein «abgekartetes Spiel» handelt, das das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) und die Kraftwerksbetreiberin spielen. «Es gilt anzunehmen, dass diese vor der Eröffnung der Verfügung wussten, dass sie die erforderliche Bewilligung fristgerecht erhalten würde oder der Weiterbetrieb bei Fehlen gewährleistet würde», sagt er. Der Entzug der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sei «ein deutliches Zeichen» dafür, findet Hadorn.

Eine Sicht der Dinge, die das Uvek nicht teilen mag. Das zeitliche Zusammenfallen von Hadorns Frage an den Bundesrat und des Versands der Verfügung über die Wasserkonzession sei so zu erklären, «dass zum Zeitpunkt der Fragestellung die Verfügung noch nicht erlassen und den Verfahrenspartnern noch nicht eröffnet worden war, dies jedoch kurz bevorstand», heisst es auf Anfrage. Immerhin räumt das Uvek ein, «wegen verschiedener Abklärungen und nachzureichender Unterlagen» habe sich die Erstellung der Verfügung verzögert. Und weil die Verfügung deshalb erst kurz vor Ablauf der Konzession habe erteilt werden können, habe das Uvek «nach einer umfassenden Interessenabwägung» allfälligen Beschwerden die aufschiebende Wirkung entzogen. So, wie dies das Verwaltungsverfahrensgesetz ganz regulär vorsehe.

Bundesrat bestreitet Zusammenhang mit der Betriebsbewilligung

Selbstredend nichts anfangen mit diesen Ausführungen kann Philipp Hadorn, der selber mit der Organisation «Nie wieder Atomkraftwerke» zu den Einsprechern gehört. Was ihm über den Vorgang hinaus zu denken gibt, ist aber noch etwas Anderes: Er ist der festen Überzeugung, dass mit dem Auslaufen der Wassernutzungskonzession (und ohne rechtskräftige Nachfolgeverfügung) auch die Betriebsbewilligung für das KKG dahinfallen müsste.

Der Bundesrat dagegen hat ihm am 24. September diesbezüglich anderen Bescheid gegeben. Das Dahinfallen der Konzession würde nicht zum Erlöschen der Betriebsbewilligung führen, belehrte der Bundesrat den Nationalrat in der Fragestunde des Parlaments. Denn das Werk in Gösgen verfüge – wie alle anderen Schweizer Kernkraftwerke – über eine unbefristete Betriebsbewilligung. Will heissen: «Es darf betrieben werden, so lange seine Sicherheit gewährleistet ist.» Eine Interpretation, die Hadorn irritiert, weil im Verfahren um die Wassernutzungskonzession «unmissverständlich und unbestritten dargelegt wurde, dass diese für die Betriebsbewilligung vorzuliegen habe».

Zum Schluss: Wann wusste das KKG, dass der Betrieb über das Auslaufen der Wassernutzungskonzession hinaus gewährleistet ist? Mediensprecherin Barbara Kreyenbühl sagt: «Die Verfügung des Uvek ist am 21. September eingegangen.» Mit dem Eingang derselben habe man auch erfahren, dass der Betrieb aufgrund der Konzession bzw. des Entzugs der aufschiebenden Wirkung allfälliger Beschwerden gewährleistet sei.

Brandschutz

Dies wenigstens ist allen klar: Die Brandschutzklappen im Kernkraftwerk Gösgen (KKG) müssen ersetzt werden, weil sie nach 40 Jahren nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen (vgl. Ausgabe vom 9. Oktober). Ist der Brandschutz im KKG bis zum Ersatz nicht gewährleistet? Doch, sagte Kraftwerksleiter Herbert Meinecke Anfang Woche gegenüber «Schweiz aktuell», nachdem von dritter Seite schwere Vorwürfe erhoben worden waren. Der Brandschutz sei «vollumfänglich gewährleistet», die technischen Einrichtungen würden laufend modernisiert, betont man beim KKG. Zudem habe das Werk selber das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) Ende 2016 über die Mängel bei den Brandschutzklappen informiert. In der Folge führte das Ensi am 6. April 2017 in den Bereichen Funktion und Unterhalt eine Inspektion durch. Das KKG erarbeitete darauf ein Konzept, das Ende September fristgerecht mit einem Detailkonzept ergänzt wurde. Das Ensi hat das Konzept noch nicht geprüft. Dies soll laut Sprecher Sebastian Hueber bis Ende Jahr der Fall sein. Das Ensi äussert sich deshalb zum heutigen Zeitpunkt auch nicht zum weiteren Vorgehen. Wann der geplante Austausch der Brandschutzklappen stattfinden wird, ist demnach noch offen. (bbr.)