Die Stadtbummlerin hat den Anlass besucht und erzählt von ihren kulturellen und kulinarischen Erfahrungen.
«Use stuehle» war über letztes Wochenende angesagt und mir gefällt dieser Anlass samt der Idee, die dahintersteckt, sehr. Besonders gespannt war ich auf die Vorstellung des Kinderzirkus «Pitypalatty». Schon als Kind wäre ich liebend gerne in einem Zirkus aufgetreten, hätte in einem Wohnwagen gewohnt und wäre mit ihm von Stadt zu Stadt gezogen. Leider hat sich dieser Wunsch nicht erfüllt.
Auch muss ich aus heutiger Sicht zugeben, dass meine Begabungen anderswo liegen, als auf einem Einrad um mein Gleichgewicht kämpfend. Und das letzte Mal übte ich eine Art von Jonglage mit hart gekochten Ostereiern, es fielen alle zu Boden. Artistenblut fliesst bis zum heutigen Tag kein einziges Tröpfchen in mir.
Da bleibt mir denn nichts weiter übrig, als mit grossen, staunenden und auch ein wenig wehmütigen Augen den Kindern und Jugendlichen von «Pitypalatty» zuzuschauen. Kinder ab 10 Jahren können sich anmelden und sich in Diabolo, Jonglage, Einrad, Hoch- und Kunstrad zu üben. Sie lernen Hindernisse zu überwinden, nehmen Anstrengungen in Kauf und erreichen irgendeinmal das gemeinsame Ziel. Ihr Selbstvertrauen wird gestärkt, ihr Zusammenhalt ist in jeder ihrer Bewegungen spürbar.
«Use stuehle» bietet aber auch Kulinarisches und auch in dieser Hinsicht lasse ich mich nicht zweimal bitten. Ich probiere hier, nehme von dort ein Häppchen und auch noch von da. Und zu guter Letzt, mit bereits mehr als übervollem Magen, da winken mir von weiter her die gebackenen Öpfuchüechli, gezimtet und gezuckert, samt Vanillesauce als Beilage. Muss ich haben, wird mir schaden, man lebt nur einmal. Und was wäre ein Leben ohne sinnliche Genüsse, ein anderes halt. Ich verzehre also genüsslich ein Öpfuchüechli, muss niesen und dann die Nase putzen, da schnauzt mich eine Dame von rechts mit den Worten an: «Sit d‘ihr gimpft?» Ja, bin ich. Zweimal. Aber erstens spüre ich eine leise Erkältung, die sich meiner bemächtigt und zweitens habe ich ein wenig Zimtzucker eingeatmet. Wäre einem Artisten ja nie passiert und deshalb befinde ich mich hier und nicht auf einem Hochseil.
Später dann höre ich einem Country-Sänger zu, der weiss, wovon er singt. Eigentlich wäre er noch von einem zweiten Gitarristen begleitet worden, aber der müht sich gerade mit einem technischen Problem ab. Auch dieses kann behoben werden und nun geht’s los, aber richtig. Der Mann singt von «teardrops in my eyes» und «take me home» und er singt mir sowas von aus der Seele. Meine Augen tränen, das kann von der Erkältung kommen oder von der bösen Bise, die um alle Ecken bläst und mich frösteln lässt.
«Legg es Liibli a», hat mir meine Mutter bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten eingeschärft. Denn trug man ein solches auf dem Leib, so war man geschützt von innen her und auch nach aussen. Sie sagte das auch bei 30 Grad im Schatten. Aber jetzt hätte es mir tatsächlich geholfen.
Zuhause habe ich noch ein wenig weiter taggeträumt. Mir vorgestellt, wie es denn wäre, wenn auf einmal vor den Häusern Stühle ständen, um darauf Platz zu nehmen und sich von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, ohne auf dem Handy zu töggelen. Ins Gespräch zu kommen, gespannt sein auf das Gegenüber. Oder davon, dass es mir nicht schaden würde, auch mein Innenleben einmal «use z’stuehle». Ordnung machen und diejenigen Stühle, die ich am Ende nicht mehr brauche, einfach weiter verschenken oder stehen lassen im Freien, bis sie sich als Vintage-Einzelstücke präsentieren. Doch doch, «use stuehle» ist eine gute Sache. Ich freue mich auf nächstes Jahr.