Grenchen
Neue Wirtschaftsförderin: «Wohnen und Wirtschaft müssen sich ergänzen»

Für Susanne Sahli, die neue Wirtschaftsförderin von Grenchen, sollen Wohn- und Witrtschaftsqualität gleichermassen stimmen.

Andreas Toggweiler
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Susanne Sahli, die neue Wirtschaftsförderin von Grenchen

Susanne Sahli, die neue Wirtschaftsförderin von Grenchen

Michel Lüthi

Die Gemeinderatskommission hat die Grenchnerin Susanne Sahli als Nachfolgerin von Wirtschaftsförderin Karin Heimann gewählt, die ihr Mandat am 1. September weitergibt. Susanne Sahli erläutert im Interview wie sie sich für den Standort Grenchen engagieren will.

Was reizt Sie an diesem Job?

Als Wirtschaftsförderin von Grenchen kann ich mein ganzes Erfahrungsrepertoire abrufen und erhalte Handlungsspielraum. Zudem kommen mir die bestehenden beruflichen Synergien und Verbindungen optimal zu Gute. Nach meinen Wanderjahren im In- und vor allem im Ausland freue ich mich nun, in Grenchen eine konstruktive und engagierte Rolle übernehmen zu können. Grenchen ist mein Zuhause und ich fühle mich der Stadt sehr verbunden.

Was möchten Sie bewirken und wie sieht das Pflichtenheft aus?

Das Mandat ist sehr vielfältig und beinhaltet im Wesentlichen, zumindest in den kommenden Monaten, die Weiterentwicklung der Themen, die von Karin Heimann erfolgreich angegangen wurden. Insofern hat sich am Pflichtenheft nicht viel geändert: Entwicklung der Stadt Grenchen als attraktiver, wirtschaftlich starker Ort sowie die Rolle der Wirtschaftsförderung als Dienstleister weiter ausbauen. Bei mir liegt der Fokus allerdings eindeutiger auf der Wirtschaftsförderung. Die Bedürfnisse der Industrie und der Betriebe laufend erkennen und Unterstützung im Rahmen des Mandats anbieten; als Bindeglied zwischen Behörde und der Wirtschaft sowie weiterer Stakeholder wirken. Dadurch sollen die Bedingungen für die ansässigen Betriebe im Einklang mit der Politik und Verwaltung laufend optimiert werden. Durch gezielte Neuansiedlungen von qualitativ hochstehenden, zukunftsorientierten Unternehmungen soll dazu der Branchenmix gestärkt und die Clusterbildung gefördert werden. Schliesslich gilt es, die Veränderungen in Gesellschaft und Technologie zu erkennen und aktiv zu begleiten.

Stimmt der Branchenmix in der Grenchner Wirtschaft?

Grenchen hat seine Stärken ganz klar bei der Mikro- und Präzisionstechnik mit hoher Wertschöpfung.Denken wir an Uhren- und Medizinalindustrie, Maschinenbau, Oberflächentechnik usw. Dadurch ist ein Netzwerk von kompetenten Zulieferfirmen mit dem entsprechenden Personalpool vorhanden, ebenso gibt es Industrielandreserven. Diese Expertise gilt es gut zu bewirtschaften und weiterzuentwickeln, gerade auch mit dem Campus-Projekt der Höheren Fachschule für Technik Mittelland und Swissmechanic sowie dem Flughafen Grenchen, welcher sich zu einem hochstehenden Ausbildungszentrum entwickelt.

Die Stadt setzt aber inzwischen stark auf Wohnqualität. Kommt da die Wirtschaft zu kurz?

Nein, keinesfalls. Denn eine gute Wohnqualität hängt stark mit dem Vorhandensein von attraktiven Arbeitsplätzen, auch in den neuen Berufs- und Gesellschaftsbildern ab. Grenchen ist auf ein höheres Steuersubstrat angewiesen, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, respektive den Anschluss nicht zu verlieren. Andererseits müssen die guten Lebens- und Wohnbedingungen in der Region voll ausgespielt werden und so eben die entsprechenden Personen und Familien in unsere Stadt und Region geholt werden. Alles hängt zusammen. Nur die gesamtheitliche Förderung aller Erfolgsfaktoren führen zum Ziel.

Sie haben mit einem originellen Grenchner Imagefilm Furore gemacht. Wie viel Originalität verträgt es bei der Wirtschaftsförderung?

Wirtschaftsförderung ist ein vorwiegend prozessorientierter Vorgang. Trotzdem verträgt er eine gewisse Originalität, welche vor allem den Charme der Stadt und der Region beinhalten sollte, wie wir das im Clip schon zeigen konnten. Es ist durchaus auch möglich, neue Technologien und Methoden einzuführen. Schlussendlich müssen das Produkt und das Ergebnis stimmen und die Kunden zufrieden sein

Gibt es kurzfristigen Handlungsbedarf, z. B. wegen Corona?

Die vollen Auswirkungen des Lockdowns zeigen sich jetzt in den Ergebnissen der Firmen. Es werden Massnahmenpläne diskutiert und umgesetzt. Darüber müssen wir uns ein Bild machen durch engen, direkten Kontakt mit Unternehmern und Sozialpartnern. Damit verhindern wir, dass die Stadt mehr oder weniger unvorbereitet durch Ereignisse überrascht wird. Das wird eine meiner ersten grossen Prioritäten sein.

Welche Dossiers muss Grenchen jetzt am dringendsten anpacken?

Wir leben nicht auf einer Insel und müssen aktiv die Themen wie die aktuelle Krise, wirtschaftliche und technologische Weiterentwicklung sowie Schaffung optimaler Rahmenbedingungen aktiv vorantreiben. Damit schaffen wir auch gute Bedingungen für Handel und Gewerbe und überhaupt für die Standortqualität.

Die Wirtschaftsförderung des Kantons und der Stadt ist inzwischen ziemlich weiblich. Sind Frauen besser im Networken?

Nein, ich denke nicht, dass dies ein Geschlechterthema ist. Ich kenne viele Männer wie auch Frauen,die toll vernetzt sind. Und es sind ja noch weitere Faktoren wichtig, in diesem Bereich erfolgreich zu sein. Ich denke da an hohe Sozialkompetenz, sicheres Auftreten und vernetztes Denken. Ich freue mich auf jeden Fall auf eine konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit mit all meinen künftigen Kolleginnen und auch Kollegen.

Glauben Sie, dass die Grenchner Politik genügend sensibilisiert ist für die Belange der Wirtschaft?

In Grenchen haben wir dank dem durch alle Parteien und Behörden unterstützen «Kompass» ideale Voraussetzungen geschaffen, um gemeinsam die formulierten Ziele zu erreichen. Des Weiteren habe ich nun noch die Gelegenheit, von Karin Heimann optimal eingearbeitet zu werden wofür ich sehr dankbar bin.

Sie waren viele Jahre in Hong Kong beruflich tätig. Inwiefern beschäftigt Sie die aktuelle Entwicklung?

Es beschäftigt mich schon und ist auch ernüchternd. Wobei zu sagen ist, dass seit der Unabhängigkeit von England 1997 eine solche Entwicklung leider zu erwarten war. Die Situation dürfte zudem negative Auswirkungen auf gewisse Branchen haben, ich denke da u.a. an die Uhrenindustrie.

Ehemalige Präsidentin der Schweizer Handelskammer in Hong Kong

Susanne Sahli (49) ist in Grenchen aufgewachsen und hat ihre Berufskarriere mit einer kaufmännischen Ausbildung begonnen. Sie war danach unter anderem Filialleiterin des Reisebüros Kuoni in Grenchen (1995-1998). Die Tätigkeit in der Reisebranche sei ihr Türöffner nach Asien, inbesondere Hong Kong gewesen, berichtet Sahli.

Sie ist Mitgründerin und Geschäftsführerin der Beratungsfirma True Colours GmbH Grenchen (seit 2011) und Hongkong (seit 2006). In Hongkong war sie zudem Präsidentin der Schweizer Handelskammer (2011-2014) und wurde 2018 zum Ehrenmitglied ernannt. Sie ist ausserdem Gastdozentin an der FHNW und unterstützt die EMBA Lehrgänge der BFH als Expertin. Seit 2016 ist sie im Vorstand des Fördervereins Gründerzentrum Kanton Solothurn (GZS) und wurde 2020 zur Präsidentin gewählt. Susanne Sahli hat ein Höheres Wirtschaftsdiplom vom Institut für Kaderschulung in Bern und ist zertifizierter Leadership Coach (CH/AUS). Weiterbildungen hat sie u.a. an der Business School MIT/Sloan (USA) abgeschlossen. Seit 2016 lebt Sahli wieder in Grenchen, wo sie 2018 (positive) Schlagzeilen machte mit einem Imagefilm für Grenchen, den sie zusammen mit Olivier Messerli realisierte.

Laut Stadtpräsident François Scheidegger sind sechs Bewerbungen für die nach dem Rücktritt von Karin Heimann ausgeschriebene Stelle eingegangen, wobei das Profil von Sahli den Bedürfnissen der Stadt am besten entsprochen habe.Die Anstellung erfolgt wie bei ihrer Vorgängerin im Mandatsverhältnis, das in etwa einer Teilzeitstelle von 50 Prozent entspricht. (at.)