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Nicht nur Bauern spritzen Pflanzenschutzmittel, auch Hobbygärtner setzen diese ein. Dabei haben sie Zugang zu einem grossen Arsenal an Pestiziden. Nun will der Bund das Angebot für Private einschränken.
Sie heissen zum Beispiel «Ungezieferspray Permanent» oder «Anti-Pilz Forte», kommen in handlichen Spraydosen daher und kosten weniger als 20 Franken – perfekt für den Hobbygärtner, der an seinen Pflanzen Schädlinge oder Pilzbefall entdeckt hat. Einige der Produkte sind jedoch alles andere als harmlos. Auf manchen prangt ein Warnhinweis, der einen toten Fisch in einem Bach zeigt: «Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung» bedeutet das Symbol.
«Heute kommt man erschreckend einfach zu sehr potenten Mitteln», sagt David Huber von der Bio- und Naturgartenorganisation Bioterra. Der Umweltingenieur spricht von einer grossen Vielfalt an Produkten, «darunter auch viele mit einem grossen Schadenspotenzial gegenüber Mensch und Natur». Für Laien ist es nicht einfach, sich in diesem Dschungel zurecht zu finden. Zumal gewisse Bezeichnungen trügerisch sind: etwa ein Produkt namens «Natur-Insektizid», das sehr giftig für Wasserorganismen ist.
Nun gerät der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den Gärten unter politischen Druck, dies im Zuge der Diskussion über die beiden Pestizid-Initiativen und die Rückstände in Gewässern und Grundwasser. CSP-Nationalrat Karl Vogler fordert in einer Motion, dass der Bund einen Aktionsplan erstellt, um den Einsatz der Pestizide ausserhalb der Landwirtschaft zu reduzieren. Sein Vorstoss ist breit abgestützt von links bis rechts; unterzeichnet haben ihn unter anderen Bauernpräsident Markus Ritter (CVP/SG), aber auch die Grüne Baselbieter Nationalrätin Maya Graf und GLP-Fraktionschefin Tiana Angelina Moser.
Der Bund hat zwar bereits einen Aktionsplan zu Pflanzenschutzmitteln erstellt. Dieser fokussiert indes sehr stark auf die Landwirtschaft, wie Vogler sagt. «Um den Pestizideinsatz zu senken, müssen alle Anwender einen Beitrag leisten», fordert er. Pflanzenschutzmittel werden auch von Unterhaltsdiensten in den Gemeinden, von den SBB und von Privatpersonen in Gärten eingesetzt. Die Mengen sind zwar deutlich geringer als in der Landwirtschaft. Wie gross sie genau sind, ist unklar. Zu vernachlässigen sind sie jedenfalls nicht. Gemäss Schätzungen setzen Privatpersonen jährlich 100 bis 200 Tonnen ein. Das entspricht immerhin fünf bis zehn Prozent der in der Schweiz verkauften Pflanzenschutzmittel.
David Huber von Bioterra hält diese Angaben für realistisch. In seinen Augen ist dies zu viel. «Ein grosses Problem ist zudem, dass Hobbygärtner Pflanzenschutzmittel zum Teil nicht sachgemäss anwenden.» Mittel gegen Insekten sollten zum Beispiel nicht bei Bienenflug angewendet werden. «Das wird im Alltag häufig nicht gemacht, weil die Hobbygärtner die Anwendungsregeln nicht genau lesen», sagt er. Und selbst wenn sie das tun, seien sie zum Teil überfordert, die Anleitung auch richtig zu interpretieren und umzusetzen. Huber sagt, das Unwissen sei gross. Teilweise hätten Privatpersonen sogar Produkte mit dem umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat im Schrank – ohne das zu wissen. Zudem sei vielen nicht bewusst, dass auch biologische Mittel für Gewässer problematisch sein können.
Der Bund bestätigt Hubers Befund: Es werde «davon ausgegangen, dass die Anwendungsvorschriften nicht ausreichend eingehalten werden», schreibt er. Umso erstaunlicher: Die meisten Pflanzenschutzmittel, die für die Landwirtschaft zugelassen sind, sind auch für Privatpersonen frei zugänglich.
Das soll sich aber ändern. Der Bund will das Angebot längerfristig einschränken. Einen ersten Schritt hat er bereits getan: Das Bundesamt für Landwirtschaft hat bei allen Pflanzenschutzmitteln überprüft, ob sie für die «nichtberufliche Anwendung» geeignet sind – ob sie also für Hobbygärtner taugen. Das Fazit: Nur gut zehn Prozent aller in der Schweiz zugelassenen Pflanzenschutzmittel tun das. Die Liste der Produkte soll demnächst publiziert werden. Eine weitere Verschärfung ist geplant: Die Kriterien für die Zulassung sollen strenger werden. Und ab 2022 sollen gemäss dem Aktionsplan des Bundes Hobbygärtner nur noch Pflanzenschutzmittel kaufen können, die spezifisch für sie zugelassen sind. «Das ist überfällig», sagt Huber.
Auch Karl Vogler hält den Schritt für notwendig. Der Obwaldner, der selbst einen Garten besitzt, sagt: «Eigentlich brauchen Private praktisch keine Mittel, wenn sie standortgerechte Pflanzen haben – also zum Beispiel eine Naturwiese statt eines perfekten Rasens. Das ist auch besser für die Biodiversität.» Anders als Bauern müssten Hobbygärtner keine Ernteverluste verhindern, daher seien Pestizide kaum notwendig. «Es braucht ein Umdenken», sagt er.
Umweltorganisationen wie WWF und Pro Natura gehen noch einen Schritt weiter: Sie fordern, dass der Bund den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden im Privatgebrauch ganz verbieten soll. Die Grüne Nationalrätin Maya Graf hat dazu einen Vorstoss eingereicht; das Parlament wird daher dereinst darüber entscheiden.