Die neue Variante aus Südafrika hat mehrere gefährliche Merkmale. Doch wie gefährlich die Variante ist, ist noch nicht klar.
1. Wie besorgniserregend ist die neue Variante aus Südafrika?
Die neue Variante B.1.1.529 aus Südafrika enthält 32 Mutationen an den Spike-Proteinen. Der Viren-Sequenzierer Richard Neher von der Universität Basel hält die Variante B.1.529 aus verschiedenen Gründen für bemerkenswert. «Zum einen unterscheidet sie sich an vielen Stellen im Spike Protein von den ursprünglichen Varianten und kombiniert viele Mutationen, die wir aus anderen besorgniserregenden Varianten kennen.» Und diese Mutationen finden sich an wichtigen Orten des Virus.
2. Ist sie gefährlicher als die Delta-Variante?
Für Neher ist es durchaus vorstellbar, dass die Variante sowohl sehr übertragbar ist als auch Teilen der Immunantwort entkommt. Die Variante ist unerwartet aufgetaucht, weil bislang keine Zwischen-Varianten zwischen B.1.1.529 und den Varianten von Anfang 2020 beobachtet wurden. Die unerwartete Variante scheint sich jetzt im Süden Afrikas rasch auszubreiten. Eingehende klinische und virologische Untersuchungen stehen aber noch aus. Die Gefahr ist noch unklar.
3. Wie schnell verbreitet sich B.1.1.529?
«Verglichen mit Delta ist das Potenzial zur Immunevasion grösser», sagt Richard Neher. Eine Immunevasion findet statt, sobald das Virus nicht mehr genügend Wirte findet, um sich auszubreiten, und sich deshalb verändert. Und die Variante scheint sich in Südafrika gegen Delta durchzusetzen. Allerdings sind in Südafrika die Fallzahlen derzeit recht niedrig, was die Interpretation erschwert, wie Neher erklärt. «Unter welchen Bedingungen sich diese Variante schneller überträgt als Delta, ist im Moment nicht klar und könnte zum Beispiel von der Impfrate abhängen.» In Südafrika liegt die Impfquote bei lediglich 24 Prozent, B.1.1.529 sind somit Tür und Tor geöffnet.
4. Kann man schon ungefähr einschätzen, wie gut die Impfstoffe gegen die neue Variante wirken?
Da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind, geht Richard Neher davon aus, dass auch gegen diese Variante ein Impfschutz besteht. Gerade die T-Zell-Antwort sollte gegenüber den Veränderungen robust sein. «Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass es vermehrt zu Durchbruchsinfektionen kommt, so dass eine dritte Dosis umso wichtiger wird», sagt der Viren-Spezialist der Uni Basel. Der Infektiologe Richard Lessels von der südafrikanischen Universität in KwaZulu-Natal in Durban geht wie andere Fachleute davon aus, dass die Impfungen auch bei dieser stark mutierten Variante noch einen Schutz vor schweren Verläufen bietet.
5. Wo ist die Variante erstmals gesehen und wo bereits beobachtet worden?
Entdeckt worden ist B.1.1.529 am 23. November in Südafrika. Insgesamt ist die Variante bislang weniger als 100 Mal genetisch nachgewiesen worden. In der südafrikanischen Region Gauteng mit den Städten Pretoria und Johannesburg ist die Zahl der neu registrierten Infektionen exponentiell gestiegen. Gefunden worden ist die Variante auch bei je einer aus dem südlichen Afrika eingereisten Person in Hongkong und Israel. Auch Belgien meldete am Freitag einen ersten Fall.
6. Wie reagieren die Staaten?
Viele haben am Freitag rasch durchgegriffen, den Flugverkehr ins südliche Afrika eingeschränkt und die Einreisebestimmungen verschärft. Am schnellsten reagierten die Briten. Sämtliche Flüge aus Südafrika und Nachbarstaaten wie Lesotho, Botswana und Namibia wurden verboten. Ab Sonntag darf wieder geflogen werden, Reisende aus den betroffenen Gebieten müssen aber 10 Tage in Quarantäne. Auch andere europäische Staaten reagierten. Nach Deutschland dürfen Fluggesellschaften nur noch deutsche Passagiere befördern. Nach der Ankunft gelten 14 Tage Quarantäne. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte eine Notbremse – den Stopp sämtlicher Flugreisen von und nach Südafrika.
7. Ist die Variante auch schon in der Schweiz schon angekommen?
Nein, heisst es beim BAG. Die Variante sei bisher noch nicht durch das Gensequenzierungs-Überwachungsprogramm nachgewiesen worden.
8. Hat auch der Bund zusätzliche Massnahmen ergriffen?
Ja, seit Freitagabend, 20 Uhr, sind Flüge aus Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia, Simbwabe und Südafrika verboten – und zwar für «unbestimmte Zeit», wie das BAG schreibt. Wer aus dem südlichen Afrika, aber auch aus Belgien, Israel oder Hongkong, wo die Variante bereits aufgetreten ist, einreisen will, muss einen negativen Covid-Test vorweisen und sich für zehn Tage in Quarantäne begeben. Eine Einreise ist nur noch für Personen, die in der Schweiz oder im Schengen-Raum eine Aufenthaltsbewilligung haben, möglich. Diese Praxis soll auch auf andere Länder, in denen die Variante auftaucht, ausgedehnt werden. Daneben hat der Bund die Kantone und Fluggesellschaften angewiesen, Personen, die in den letzten zehn Tagen aus dem südlichen Afrika eingereist sind, persönlich zu kontaktieren. Ihnen wird ein PCR-Test dringend empfohlen.
9. Wir reagierten die Börsen auf die neue Variante?
Die Börsianer reagierten verunsichert auf die jüngste Virusvariante. An den grössten Börsenplätzen gaben die Kurse deutlich nach. Der Swiss Market Index fiel nach Handelsstart bis 2,3 Prozent, schränkte die Verluste dann bis zum Handelsschluss auf minus 1,8 Prozent ein. Zu den Verlierern gehörten Aktien von Corona-anfälligen Branchen. Zum Beispiel Flughafen Zürich (-6.6 Prozent) oder der Reisedetailhändler Dufry (-11.97 Prozent). Auch der Luxusbereich (etwa Swatch und Richemont) musste Federn lassen. Zu den Gewinnern zählten Firmen, die vom Homeoffice profitieren. Etwa der IT-Ausrüster Logitech (+4.47 Prozent). Auch die Aktien der Pharmazulieferer Lonza, Bachem und Siegfried machten einen Sprung. In den USA starteten die Börsen ebenfalls tiefrot. Zu den wenigen gefragten Titeln zählten unter anderem Impfstoffhersteller Moderna (+24.13 Prozent), Biontech (+14.22 Prozent) und Pfizer (+5.79 Prozent).