Die italienische Polizei hebt ein Waffenarsenal rechtsextremer Kreise auf - involviert ist ein ehemaliger Ruag-Mann, der angeblich Flugzeuge nach Afrika verkaufen wollte.
Er macht derzeit international Schlagzeilen: Alessandro M.*, 42, ehemaliger Tessiner Mitarbeiter der bundeseigenen Rüstungsschmiede Ruag. Der Zusammenhang, in dem der Name auftaucht, ist gruselig. Alessandro M. soll einem Netzwerk von neofaschistischen Waffenschiebern angehören.
Alessandro M., der von 2010 bis 2013 bei der Ruag arbeitete, ist Geschäftsführer der italienischen Firma Star Air Services, die unter anderem im Handel mit Flugzeugen aktiv ist. In einem Hangar der Firma in der Ortschaft Rivanazzano, zwischen Mailand und Genua gelegen, stellte die Polizei diese Woche unter anderem sicher: Eine französische Luft-Luft-Rakete des Typs Matra, 250 Kilo schwer, die einst Katar gehörte. Zwei Raketenwerfer, gut zwei Meter lang, für Raketen des Kalibers 50 Millimeter. Im Hangar wurden Kisten mit weiterem Armeematerial sichergestellt, das derzeit analysiert wird. Alessandro M. wurde verhaftet, steht unter Hausarrest.
Der Ruag-Mann besitzt auch Firmen in der Schweiz. So war er seit 2016 Verwaltungsrat der Swiss General Aviation SA, die letztes Jahr Pleite ging. Sie besass einige Kleinflugzeuge, etwa einen Pilatus PC-6. «Er wollte Flugzeuge nach Afrika verkaufen» M. ist auch Verwaltungsrat einer Firma namens Swiss Global Aerospace. Sie hiess bis 2016 Tremon Holding und wurde von einem Tessiner Anwalt verwaltet.
Dieser Anwalt sagt zu dieser Zeitung, mit dieser Waffen-Geschichte habe er nicht das Geringste zu tun. Er habe Alessandro M. vorher nicht gekannt und ihm bloss den leeren Firmenmantel verkauft. «Er sagte mir, er wolle alte Flugzeuge kaufen, diese instand stellen und dann in Afrika verkaufen».
In dieser Geschichte gibt es allerdings einige eigenartige Zufälle: Die Tremon Holding, die einem Kroaten gehörte, taucht im russischen Firmenregister auf. Im Oktober 2011 war sie Mitgründerin einer Firma im Südosten Sibiriens. Ihr Name: LLC Rusarm. Was wie der Name einer russischen Waffenfirma klingt.
Dieser Aspekt ist insofern bemerkenswert, als es in der Neofaschisten-Affäre eine russische Komponente gibt: Ein ehemaliger Agent des russischen Geheimdienstes KGB war es, der die Italiener auf die Spur der Rechtsextremen und ihres Waffenarsenals brachte. Sein Hinweis: Ukrainische Nationalisten planten ein Attentat auf den rechten italienischen Innenminister Matteo Salvini. Die Italiener ermittelten danach gegen fünf Neofaschisten in Italien, die angeblich in der Ostukraine gegen prorussische Separatisten gekämpft hatten.
Noch so ein Zufall: Zweiter Gründer der Rusarm war ein gewisser Vladimir Nikolaevich Y.* Eine Person gleichen Namens findet sich in Registereinträgen der ukrainischen Stadt Charkiw nahe der russischen Grenze. Er wird dort als Beamter geführt. Laut dem zitierten Tessiner Anwalt hat die Rusarm, von der er nichts gewusst haben will, sicher nichts mit Alessandro M. zu tun. Er hält die aufgeflogenen Raketenschieber für «Dilettanten».
Der Anwalt selbst hat auch eine lebhafte Vergangenheit. So tauchte sein Name 1987 in den Akten der italienischen Untersuchungskommission zur verbotenen Freimaurerloge «Propaganda Due» von Licio Gelli auf. Er taucht dort im Umfeld von Waffenhändlern und irrlichternden Geheimdienstlern auf. Schon 1974 gab es demnach Hinweise, dass eine vom Anwalt verwaltete Schweizer Firma mit einem Flugzeug Waffen schmuggelte.
Andere Firmen wurden in Verbindung mit Schmuggel von Zigaretten und Devisen gebracht. Der Anwalt betont, er sei nie rechtskräftig verurteilt worden. Die Italiener hätten immer versucht, Schweizern etwas anzuhängen. Von Waffen- und Drogenschmuggel distanziert er sich.
Zieht in der Affäre ein altes, rechtes Netzwerk die Fäden? Die italienische Polizei stellte in der «Operation Matra» nicht nur Raketen sicher. Im Haus eines ehemaligen Zollbeamten, der vor Jahren für die neofaschistische Partei Forza Nuova für den Senat kandidierte, fand die Polizei ein Waffenarsenal mit Sturmgewehren, Munition, Hitler-Bildern, Hakenkreuzen.
In Italien werden jetzt Erinnerungen an blutige Zeiten wach, die überwunden schienen: In den «bleiernen Jahre» verübten neofaschistische Extremisten zahlreiche Terroranschläge. Etwa jenen von 1969 auf der Piazza Fontana in Mailand, der 17 Menschen tötete und 88 schwer verletzte. Oder 1980 das Blutbad im Bahnhof von Bologna, als eine Bombe 85 Menschen das Leben kostete.
*Namen der Redaktion bekannt