Abstimmung
Grünliberale starten als Verlierer ins Wahljahr

Den Grünliberalen will es nicht gelingen, die Wähler mit ihren Themen emotional abzuholen. Ob sich die Schlappe negativ auf die nationalen Wahlen vom Herbst auswirkt, ist schwierig abzuschätzen.

Anna Wanner
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Er habe unterschätzt, wie verankert die Mehrwertsteuer sei, so GLP-Präsident Martin Bäumle.

Er habe unterschätzt, wie verankert die Mehrwertsteuer sei, so GLP-Präsident Martin Bäumle.

Keystone

Dass sie hinter ihren Rücken als «Technokraten» bezeichnet werden, ist kein Geheimnis. Dass die Grünliberalen das Wort aber selbst in den Mund nehmen, um ihre Niederlage an der Urne zu erklären, lässt nur einen Schluss zu: Sie wissen um ihre grosse Schwäche, die Stimmbevölkerung emotional nicht abholen zu können, bestens Bescheid.

War die Initiative zu komplex?

Der Pragmatismus, für den die Partei im Parlament gerne gelobt wird, stellt sich bei der Abstimmung als wenig hilfreich heraus. «Wir konnten das Thema nicht auf eine einfache Formel runterbrechen», sagte der Aargauer Nationalrat Beat Flach gestern nach Bekanntgabe der Resultate. «Es ist uns nicht gelungen zu erklären, wie die Energiesteuer den Wegfall der Mehrwertsteuer kompensieren soll», resümierte auch Fraktionschefin Tiana Angelina Moser. War der Inhalt so schwer verständlich?
Ja, meinte auch Generalsekretärin Sandra Gurtner-Oesch. Bei den Grünliberalen würden Themen mit Akribie beackert. Die Folge davon: «Die Vorlage ist inhaltlich genaustens durchgerechnet, aber eben sehr technisch.»

Dass die Initiative alleine wegen ihrer Komplexität bloss 176 000 Stimmen gemacht hat (mehr als zwei Millionen sagten Nein), ist unwahrscheinlich. Rückblickend stellt sich die Frage, wie es die Partei überhaupt geschafft hat, über 100 000 Unterschriften zu sammeln.

Zweitschlechtestes Resultat

Eine genauere Abstimmungsanalyse folge noch, kündigte Moser an. Sie sei vom Ergebnis «enttäuscht». Mehr aber nicht. «Es gehört zur Politik, dass Vorschläge bei einer Mehrheit durchfallen.» Und immerhin habe diese Abstimmung die GLP zusammengeschweisst. Die Basis habe sich mit Standaktionen für das Projekt eingesetzt, was ja auch ein Erfolg für die noch junge Partei sei.

Der Erfolg ist zweifelhaft. Bloss ein einziges Mal in der Geschichte fiel eine Initiative deutlicher durch. Das war 1929 über das Thema Getreideversorgung. Nach vergleichbaren Resultaten in der neueren Zeit muss man lange suchen. Parteipräsident Martin Bäumle findet wie so oft die deutlichsten Worte: «Das Ergebnis schmerzt.» Es schlecke keine Geiss weg, dass die Partei eine «brutale Niederlage» eingefahren habe. Von einem Schock ist deswegen nicht die Rede. «Als wir im Parlament gespürt haben, dass niemand der GLP einen Punkt gönnt, haben wir geahnt, dass die Abstimmung nicht zu gewinnen ist.» Nicht einmal die Unterstützung der Grünen und der Umweltverbände konnte die Schlappe noch abwenden.

Jeder Partei ihre Wähler

Verantwortlich, so Bäumle, sei auch die Regierung. Eigentlich steuere der Bundesrat mit der Energiestrategie auf ein ähnliches Ziel zu: Über Lenkungsabgaben den Energiekonsum zu drosseln. «Doch die Diskussion wurde abgeblockt, ein Gegenvorschlag abgelehnt.» Zwischen den Vorschlägen liegt jedoch ein wesentlicher Unterschied: Im Gegensatz zur GLP will der Bundesrat die Mehrwertsteuer nicht abschaffen, sondern beibehalten.

Diese Einsicht teilt unterdessen auch Bäumle. Er habe unterschätzt, wie verankert die Konsumsteuer sei. Obwohl deren Abschaffung die Wirtschaft entlaste, habe die Idee nicht überzeugen können. «Nicht einmal unsere Wähler.» Das bereite ihm aber wenig Bauchweh. «Ich bezweifle, dass sich die Schlappe auf die Wahlen im Herbst auswirkt.» Bäumle erklärt: «Wir haben auf der Strasse oft gehört, dass die Initiative zu weit gehe, dass viele aber trotzdem GLP wählen.» Die Conclusio: «Wähler können zwischen Abstimmung und Wahlen unterscheiden.» Ganz pragmatisch eben.