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Schweiz
Der Ruf nach konsequent begleiteten Regionalzügen findet bei Verkehrs- und Sicherheitspolitikern wenig Gehör.
Welche politischen Lehren soll man aus der Bluttat von Salez ziehen? Sind es überhaupt welche oder müssen wir schlicht damit klarkommen, dass solche Vorfälle jederzeit passieren können – und wohl auch wieder passieren werden? Solche Fragen stellt sich manch einer, der regelmässig mit dem Zug unterwegs ist. Und sie treiben auch diejenigen um, die hauptberuflich mit dem öffentlichen Verkehr zu tun haben.
«Für mich ist der Fall klar: Es braucht wieder in jedem Regionalzug einen Zugbegleiter», sagt Hans-Ruedi Schürch, Präsident des Lokomotivpersonalverbandes LPV-SEV. Man habe schon dagegen angekämpft, als die Zugbegleiter in den Regionalzügen vor zwanzig bis dreissig Jahren kontinuierlich abgeschafft wurden. «Jetzt fühlen wir uns bestätigt», sagt er. Für Schürch würde diese Massnahme gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Nicht nur würden sich die Passagiere in den Zügen sicherer fühlen. Auch die Einnahmen wären höher, da die Schwarzfahrerquote sinken würde.
Auch Pro Bahn, die Interessenvertretung der öV-Kunden, kann sich für die Idee erwärmen. «Das Einzige, das man gegen so eine Tat tun kann, ist die Präsenz des Zugpersonals zu erhöhen», sagt Präsident Kurt Schreiber. Wenn auch in jedem Regionalzug ein Kondukteur anzutreffen sei, wirke das auf die Passagiere beruhigend und halte potenzielle Täter möglicherweise ab. Ein Restrisiko bleibe aber stets, so Schreiber.
Nur: Gratis wären die zusätzlichen Zugbegleiter natürlich nicht zu haben. Pro-Bahn-Präsident Schreiber geht von einem dreistelligen Millionenbetrag aus, der dafür erforderlich wäre. Dieser müsse vom Bund respektive den Kantonen getragen werden, eine Erhöhung der Billettpreise sei nicht vertretbar. Lokpersonalverband-Chef Schürch sagt zu den Kosten lapidar: «Da ist dann die Politik gefragt.»
Die Attacke vom Samstag ereignete sich in einem Zug der Südostbahn (SOB). Gemäss einem Communiqué von gestern Morgen will das Unternehmen sein Sicherheitsdispositiv noch einmal «intensiv prüfen». Die Sicherheit der Reisenden habe «oberste Priorität». Da kein Fahrzeug von ihnen betroffen war, äussern sich die SBB ihrerseits zurückhaltend zum konkreten Fall. Gestützt auf die Ermittlungen der St. Galler Staatsanwaltschaft und der Kantonspolizei werde man wo notwendig Anpassungen im Sicherheitsdispositiv vornehmen, heisst es bei der Medienstelle.
Wie viele Übergriffe auf Passagiere stattfinden, können die SBB nicht sagen. Im letztjährigen Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht ist jedoch die Anzahl der Tätlichkeiten gegen das Personal aufgeführt: Während 2014 noch 194 Vorfälle registriert wurde, waren es im Folgejahr zehn weniger. Ein langjährigerer Vergleich ist gemäss SBB nicht möglich, da einerseits die Meldewege überarbeitet wurden und andererseits Übergriffe gegen das Personal mittlerweile als Offizialdelikt gelten. «Dadurch ist eine Vergleichbarkeit der Zahlen nicht mehr möglich», so Mediensprecher Christian Ginsig.
Mithilfe von Telefoninterviews und Internetbefragungen erheben die SBB monatlich das «subjektive Sicherheitsempfinden» ihrer Kunden. 2015 sank dieser Wert gegenüber dem Vorjahr marginal und lag knapp unter dem gesetzten Zielwert – wobei bei solchen Werten auch in Betracht gezogen werden muss, dass Ereignisse im Ausland die persönliche Befindlichkeit beeinflussen.