Die Zahl der Neuinfektionen ist mit 3150 so hoch wie noch nie in diesem Jahr. Die Studie «Corona Immunitas» zeigt, dass der Schutz der Geimpften deutlich höher ist als der Genesenen.
Tanja Stadler musste an ihrem ersten öffentlichen Auftritt als Task-Force-Chefin in Bern Düsteres berichten. «Die Delta-Variante ist so ansteckend, dass sich mit der Zeit alle Nichtgeimpften infizieren werden»:
Die Infektionszahlen gehen in der Schweiz jetzt schon durch die Decke, gestern waren es 3150 Neuinfektionen. So viele wie noch nie in diesem Jahr. Die Hauptgründe dafür sind die Ferienrückkehrer, die Partys und die ausgedehnteren Treffen in der Familie. Und seit einiger Zeit steigen auch die Spitaleinlieferungen wieder an. Seit Anfang Juli haben sich die Spitaleintritte in der Schweiz verzehnfacht.
Letzteres ist besorgniserregend, auch wenn zur Zeit auf den Intensivstationen noch kein Notstand herrscht. Aber wenn sich die Hospitalisationen innert eines Monats nochmals wie im vergangenen verdreifachen, haben wir gemäss Stadler Zustände wie in der zweiten Welle. Dabei gehe es nicht nur um die Kapazität an Intensivbetten, sondern auch darum, wieviel man dem Pflegepersonal wieder zumuten könne und dass andere Spitalbehandlungen wie im vergangenen Jahr wieder verschoben werden müssten.
Zwar habe es bis anhin dank der Impfungen weniger Spitaleinlieferungen im Verhältnis zur Zahl der schweren Covid-Verläufe gegeben als in der zweiten Welle. Aber mit Delta ist das Risiko einer Hospitalisierung für den Erkrankten doppelt so hoch wie bei der Alpha-Variante. Das bedeute, dass mit einem so starken Anstieg an Infektionen auch wieder mit mehr Spitaleinlieferungen zu rechnen sei.
Ein zu grosser Teil der Bevölkerung sei nicht geimpft und damit nicht immunisiert, betonten Tanja Stadler und Patrick Mathys vom BAG. «In der Schweiz sind wir beim Impfen deutlich weniger erfolgreich als die anderen Länder», sagte Stadler. 25 Prozent wollten sich bewusst nicht impfen, die 17 Prozent Unentschlossenen müsse man noch davon überzeugen, dass die Impfung der einzige Weg sei, dem Virus den Nährboden zu entziehen.
Auf die Frage, ob man das mit einer Ausweitung der Zertifikatsanwendung verbessern könnte, gibt die neue Task Force-Chefin eine schwache Antwort. Das müsse der Bundesrat im Gesamtpaket beurteilen. Auch Mathys will diese Frage nicht beantworten und verweist auf die am Montag gestartete Informationskampagne, mit der man den Unentschlossenen erklären wolle, dass jetzt der richtige Zeitpunkt zum Impfen sei, damit man bis zu den Herbstferien den vollständigen Impfschutz habe.
Stadler nannte drei strategische Ziele. Zum Ersten müsse bei den steigenden Infektionszahlen die Überlastung des Gesundheitssystems vermieden werden, zum Zweiten müsse man Kindern unter 12 Jahren, die sich nicht impfen lassen dürfen, den besten Schutz ermöglichen. Zum Beispiel mit CO2-Messgeräten und Luftfiltern in den Schulen. Zum Dritten müsse man auch jene schützen, die wegen ihres schlechten Immunsystems mit der Impfung ungenügend geschützt bleiben. Hier könnten Auffrischimpfungen Abhilfe schaffen. Deren Wirkung müsse aber noch untersucht werden. Auffrischungsimpfungen werden auch für Gesunde wieder zum Thema werden – wann konnte Mathys vom BAG nicht sagen. Auch für diese brauche es wieder ein Zulassungsverfahren bei der Swissmedic.
Milo Puhan von der Universität Zürich hat derweil in der laufenden nationalen Studie «Corona Immunitas» den Schutz nach einer Impfung mit jener nach einer Genesung verglichen. «Die Impfung bewirkt, dass der Schutz deutlich höher, konstanter und homogener ist als bei Genesenen», sagte Puhan. Das bezieht sich auf die Menge der Antikörper und deren Neutralisationsvermögen. Mit der Genesung allein habe man keinen guten Schutz. Der Schutz der Impfung sei zuverlässiger als nach der Infektionen und das sei bei allen Virusvarianten relevant.