Die «Arena» zum Ukraine-Krieg fokussierte sich auf die Sanktionen gegen Russland. Ein abwesender SVP-Politiker musste sich scharfe Kritik anhören.
Das Team um SRF-Moderator Sandro Brotz lud am Freitagabend zu einer weiteren «Arena»-Sendung zum Ukraine-Krieg ein. Die Politikerinnen und Politiker diskutierten über die Folgen des Krieges für die Schweiz – konkret zu Sanktionsfragen und der Energiepolitik. Themen also, zu denen die SVP eine Aussenseiter-Meinung vertritt. Die grösste Partei des Landes verzichtete auf eine Teilnahme mit einem «Boykott», nachdem ihr Fraktionspräsident rassistische Stereotypen in der Asyldebatte zum Ukraine-Krieg verbreitet hatte.
Brotz erwähnte diesen Nebenschauplatz zu Beginn der Sendung kurz: «Wir sind mit den Vertretern der SVP im Kontakt – mehr gibt es dazu nicht zu sagen.» Die Diskussion war aber deshalb nicht weniger kontradiktorisch. Dafür sorgte die Gästeauswahl, die zwar eine gesittete Debattenkultur pflegte, aber dennoch auf polemische Angriffe nicht verzichtete.
Die Sendung wurde – vereinfacht gesagt – in zwei Blöcken unterteilt: Zuerst wurde über Sanktionen und die Notwendigkeit einer «Taskforce» diskutiert (dazu gleich mehr). Gegen das Ende kam noch die Abhängigkeit der Schweiz im Bereich der Energieversorgung zur Sprache.
Wenn man genauer sein will, dann muss man von einem dritten Diskussionspunkt sprechen. Die ersten Sendungsminuten drehten sich um die Frage der «Neutralität»: Was soll diese Eigenschaft der Schweiz im 21. Jahrhundert noch bedeuten? Die Meinungen der Gäste ähnelten sich hier – wohl auch, weil die Schweizer Rolle im Uno-Sicherheitsrat kaum diskutiert wurde. Es herrschte gar Konsens, dass heute ein moderneres Verständnis der «Neutralität» gelebt werden solle.
Oder wie es FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt formulierte: Die Schweiz dürfe sich weder der Nato, noch einem anderen Militärbündnis anschliessen. Sie dürfe auch keine Waffen in Kriegsgebiete exportieren. Sanktionen seien aber erlaubt – sie sollen gar dem Völkerrecht wegen gezielt «Putin weh tun».
Doch wie setzt man diese Sanktionen durch? Dazu steht seit Tagen die Forderung nach einer «Taskforce» im Raum. Sie soll ähnlich wie die italienische «Guardia di Finanza» mögliche russische Gelder in der Schweiz fokussiert aufspüren. Hierzulande herrschen ein gewisser kantonaler Flickenteppich und unklare Verantwortlichkeiten, wie die investigative SRF-Sendung «Reporter» diese Woche zeigte.
Die Meinungen dazu unterschieden zwischen links und mitte-rechts: Silberschmidt bezeichnete die Taskforce-Forderung als «Parteienprofilierung», Schneider-Schneiter wünschte sich eine intensivere Arbeit der Departemente der Bundesräte Ueli Maurer, Guy Parmelin, Karin Keller-Sutter sowie der Bundesanwaltschaft. Und die Linken kritisierten den Status-quo.
Die Grüne Regula Rytz erwähnte die Zahl der Bankierverenigung, wonach russische Personen wohl gegen 200 Milliarden Franken hierzulande halten würden. Sie hätten nach wie vor Zeit, die Gelder zu verstecken.
Der Bündner Sozialdemokrat Jon Pult thematisierte die fehlenden Wirtschaftsregister und Regeln im Bereich des Kunsthandels, welche die Durchsetzung der Sanktionen erleichtern könnten. «Mir ist egal, ob die Taskforce oder die Bundesanwaltschaft nun die Gelder aufspürt», sagte Pult.
Er machte aber klar, dass er Szenen wie aus dem «Reporter»-Beitrag nicht mehr sehen wolle, wo der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler einen laschen Umgang mit Sanktionen präsentierte. Seine Forderung lautete deshalb: «Wir brauchen Glasnost für den Schweizer Handelsplatz, um längerfristig glaubwürdig zu sein.»
Die Szene im «Reporter»-Beitrag stiess auch der Mitte-Politikerin Elisabeth Schneider-Schneiter sauer auf. «Das ist einfach nur peinlich», ja gar «eine Katastrophe», sagte die Bürgerliche aus dem Baselbiet.
Und Silberschmidt? Er vertrat die Ansicht, dass es derzeit keine Anzeichen für eine solche lasche Politik gebe – die Schweizer Banken würden die Sanktionen durchsetzen, sonst würden sie einen Reputationsschaden riskieren. Die Forderungen der Linken nach besseren Daten (konkret: nach einem Register der wirtschaftlich Berechtigten eines Unternehmens – aka «Strohmänner») oder einer Aufsichtsbehörde kritisierte er sodann erneut als Parteipolitik. Rytz’ Replik «Das ist absurd!» ging im beidseitigen Applaus unter.
Die Grüne musste sich auch im zweiten Themenblock dieselbe Kritik anhören: Rytz forderte den Ausbau von erneuerbaren Energien und das Weggkommen vom russischen Gas, was Silberschmidt grundsätzlich auch befürwortete. Er beschuldigte aber einmal mehr die Grünen und nahestehenden Organisationen, dass sie all das durch Einsprachen erschweren würden. Rytz hatte irgendwann genug davon: Sie erinnerte die bürgerliche Gegenseite daran, dass auch Organisationen mit FDP- und Mitte-Politikern im Präsidium Einsprachen machen würden.
Als Rytz dann noch höhere Prämienverbilligungen forderte, um ärmere Haushalte wegen höheren Energiekosten zu entlasten, gabs auch noch von der Mitte-Politikerin polemische Kritik. Schneider-Schneiter warf ihr Pietätlosigkeit vor, weil die Grünen nun ein «Parteiprogramm zu einem Krisenpapier» machen würden.
Die gleiche Kritik musste sich Silberschmidt nicht anhören, als er die FDP-Vorschläge zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger präsentierte: Man müsse bei der Zapfsäule ansetzen und Benzin/Diesel verbilligen, damit der Staat jetzt nicht noch mehr von kriegsbedingt höheren Treibstoffpreisen profitiert.
Pult überzeugte diese Forderung nicht: Er erinnerte daran, dass «etwa 45 Prozent des Strassenverkehrs reiner Freizeitverkehr» sei. Er gönne allen Menschen diesen Spass, der Staat dürfe aber jene mit dicken Autos (Stichwort: SUV-Fahrer) nicht unterstützen. Die höheren Energiekosten würden nicht nur Autofahrerinnen belasten, sondern vor allem auch Mieterinnen und Mieter: Ihnen würden höhere Heizkosten drohen, weshalb es nun eine Art «Nebenkostenbremse» brauche.