Die Seilbahn hängt in der Luft

Das Bundesamt für Verkehr darf vorläufig nicht über das Baugesuch für die neue Gondelbahn Weissenstein entscheiden. Grund ist eine Beschwerde des Schweizer Heimatschutzes, der dem Amt Befangenheit vorwirft.

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Talstation

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Solothurner Zeitung

Marco Zwahlen

Die Sesselbahn steht still, das Kurhaus bis April geschlossen, der Solothurner Hausberg tot. Als Symbol dafür hat es auch einem der «drei hellsten Solothurner» abgelöscht - seit Tagen brennen nachts nur noch zwei Lichter auf dem Weissenstein. Derweil wartet alles auf den Bund. In den nächsten Wochen sollte der Bundesrat über die Richtplananpassung entscheiden. Allgemein wird erwartet, dass die Anpassung angenommen wird und damit die Behörden im Grundsatz dem Bau einer neuen Seilbahn zustimmt. Eine andere Frage ist, ob das von der Seilbahn Weissenstein AG (SWAG) eingereichte Projekt für eine Gondelbahn mit Sechserkabinen bewilligt wird.

Seit einem Jahr fahren Gondeln

Seit einem Jahr ist die Gondelbahn Kandersteg-Oeschinensee in Betrieb. Dem Neubau ging ein Rechtsstreit um den Erhalt des Sessellifts voraus.

Für den Erhalt der mit Jahrgang 1946 nur wenige Jahre ältere Schwester der Sesselbahn Weissenstein hatte sich der Heimatschutz ebenfalls vehement eingesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht gab aber Anfang 2008 die Bahn zum Abriss frei. Begründung: Die Sicherheit der Fahrgäste könne bei der Bahn nur mit «unverhältnismässigen Aufwand gewährleistet werden». Ebenso fiel die touristische Erschliessung des Gebietes hoch ins Gewicht. Wie fällt die Bilanz nach einem Betriebsjahr in Kanderstegaus? «Das Label Nostalgie war wirklich einmalig, nun mal aber ohne Zukunft», sagt Gemeindepräsident René F. Maeder auf Anfrage. Bei aller Wehmut - die postiven Aspekte der neuen Bahn würden eindeutig überwiegen, die Erwartungen vollends erfüllt. «Die Bahn hat dank der Kapazitätssteigerung viel mehr Gäste. Zudem können mit der neuen Bahn auch Personen im Rollstuhl oder Kleinkinder im Babywagen auf den Berg transportiert werden.» Ebenso sei der Transport von Hunden kein Problem mehr. Die Aussagen des Gemeindepräsidenten bestätigt Doris Wandfluh, Geschäftsführerin Kandersteg Tourismus: «Sehr viele Leute hatten Angst mit der Sesselbahn zu fahren. Mit der Gondelbahn ist das anders.» Der Tourismus habe angezogen, inbesondere im Sommer mit Wandergästen. Wandfluh findet auch, dass die neue Bahn sehr gut in die Landschaft eingebettet ist. Interessant sei auch, dass in der Nähe der Bahn wieder mehr Wildtiere zu sehen sehen seien. Da die Fahrgäste in Gondeln tranportiert werden, «ist es ruhiger geworden.» (mz)

Befangenes Bundesamt für Verkehr?

Das paralell laufende Konzessions- und Plangenhehmigungsverfahren (Baugesuch) ist derzeit beim Bundesamt für Verkehr (BAV) hängig. Noch, denn der Schweizer Heimatschutz (SHS), der nach dem Abbruch der Sesselbahn Kandersteg-Oeschinensee 2008 (siehe «Seit einen Jahr fahren Gondeln») mit dem Verein Pro Sesseli und einer gemeinsamen Stiftung für den Erhalt des letzten Typs einer solchen Bahn kämpft, hat ein Ausstandsbegehren gestellt. Statt dem BAV sei das Verfahren der Kontrollstelle für Seilbahnen und Skilifte (IKSS) zu übertragen.

Nach Ansicht des SHS ist das BAV voreingenommen und damit befangen. Grund für diese Annahme ist die Antwort des BAV an das Amt für Raumentwicklung im Rahmen der bundesinternen Vernehmlassung zur Richtplananpassung: «Selbst wenn jede Schraube und jeder Bolzen ausgewechselt, die jetzige Bahn nachgebaut wird, von uns erhält sie keine Betriebsbewilligung mehr», brachte BAV-Mediensprecher Gregor Saladin im Oktober die Haltung der BAV-Bahnexperten gegenüber dieser Zeitung auf den Punkt. Man sei überzeugt, dass dieser Typ Bahn (Von-Roll 101) sicherheitstechnisch nicht sanierbar ist. Saladin damals: «Diese Bahn fährt höchstens noch auf dem Ballenberg oder im Verkehrshaus.»

Ball liegt beim Departement

Das BAV hat per Zwischenverfügung vom 2. Dezember das Verfahren «mit sofortiger Wirkung sistiert». Dies «aus verfahrensökonomischen Gründen - es müsste wiederholt werden - und im Interesse der Rechtssicherheit.» Sprich; Bis zum Entscheid über das Ausstandsbegehren, den das dem BAV übergordnete Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) voraussichtlich im Januar fällt, hat das BAV weitere Verfahrenshandlungen zu unterlassen.

Wie aus einem Schreiben des UVEK-Generalsekretariats hervorgeht, ist das BAV zu dieser Zwischenverfügung befugt. Denn «die Tatsache, dass die Unbefangenheit des BAV in Zweifel gezogen wird, ändert nichts an der gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeit des Amtes für die Durchführung des Plangenehmigungsverfahrens und damit auch für dessen Sistierung».

Und weiter: «Ebenso wird das BAV die Sistierung wieder aufheben und, je nach Aussgang des Ausstandsbegehrens, das Plangenehmigungsverfahren weiterführen oder die Akten an eine andere Instanz weiterleiten müssen.» An welche, sollte das Ausstandsbegehren gutgeheissen werden? Saladin auf Anfrage: «Entweder an eine andere Abteilung des BAV oder ans UVEK.» So oder so, würden die Verfahrensjuristen jeweils Fachleute zu Rate ziehen. Zum Ausstandsbegehren selbst sagt der BAV-Mdeinsprecher nur, dass er sich nicht erinnern könne, dass dem Bundesamt je Befangenheit vorgeworfen worden sei.

Seilbahn weist Behauptungen zurück

Für die Verantwortlichen der Seilbahn Weissenstein AG ist klar, dass der Heimatschutz mit seinem Schachzug auf Zeit spielt. Inhaltlich sehen sie mit Verweis auf Bundesgerichtsurteile in ihrer Stellungnahme ans UVEK keine Ausstandsgründe gegeben. Für die Interssenabwägung im Zuge des Richtplanverfahrens «war die materielle Auffassung des BAV - zumal als Fachbehörde - gerade gefragt.» Kein Geheimnis ist, dass das BAV als beratende Behörde der SWAG bereits 2004 erstmals einen Neubau nahegelegt hat.

Dazu meint Rolf Studer, SWAG-Verwaltungsratsvizepräsident, auf Anfrage: «Die beratende Funktion gehört auch zu den Aufgaben einer Aufsichts- und Bewilligungsbehörde. Der Entscheid aber gegen die Sanierung der Sesselbahn und für einen Neubau «beruht auf fundierten Abklärungen mit verschiedenen privaten Fachleuten» und sei keineswegs massgeblich vom BAV mitgeprägt worden. Als «gänzlich untauglich» qualifiziert die SWAG in ihrer Stellungnahme ans UVEK den Vorschlag, die IKSS mit dem Verfahren zu betrauen. Grund: «Zwischen der Gegnerschaft des Neubauprojektes und der IKSS existieren unseres Wissens personelle Verbindungen.»

Beim kantonalen Amt für Raumplaungung, das nebst der Rgeierung die Seilbahn-Neupläne im Sinne eines Gesamtkonzeptes für das Naherholungsgebiet Weissenstein unterstützt, ist man über die Sistierung erstaunt. «Damit hat das Verfahren noch mehr Sand im Getriebe», bedauert Amtschef Bernard Staub. «Und das nützt letztlich niemanden etwas.»

Am Schluss ein Haufen Schrott

Verzögerungen und die Ungewissheit sind das grösste Problem der SWAG. Die Geldgeber für das Neubauprojekt müssen bei der Stange gehalten werden. Auf der anderen Seite setzt der Stillstand auch der Sesselbahn zu, denn zum Unterhalt ihres Eigentums ist die SWAG bei Betriebsstillstand nicht verpflichtet. Seit einigen Tagen hängt auch kein Seil mehr auf den Masten.

Zwar ist den Betreibern verboten, bis zu einem rechtskräftigen Entscheid über den Abbruch Bestandteile der Bahn zu veräussern. Aus Sicherheitsgründen musste aber das Seil entfernt werden. «Das schreibt das Seilbahngesetz vor», erklärt Studer. Übrigens: Wäre die Bahn noch in Betrieb, müsste das Seil eh ersetzt werden.