Am Dienstag wurde Lichtensteig mit dem Preis des Schweizer Heimatschutzes ausgezeichnet. 1984 erhielt ihn auch Wil. Doch was hat der Preis bewirkt? Eine Spurensuche.
Er könne sich noch gut daran erinnern, als der Preis verliehen wurde, sagt Ruedi Elser. Der Wiler ist pensionierter Architekt und Denkmalpfleger sowie Vorstandsmitglied des Heimatschutzes St.Gallen und Appenzell Innerrhoden. 1984 erhielt die Stadt Wil den Wakker-Preis. Elser erzählt weiter: «Die Bevölkerung war stolz und der Preis wurde gebührend gefeiert. Die Stadt hatte sich für die erwarteten Besuchenden herausgeputzt.»
Als erste Gemeinde im Kanton St.Gallen erhielt die Stadt Wil den renommierten Preis des Schweizer Heimatschutzes. Am Dienstag wurde nun Lichtensteig als dritte Stadt im Kanton – nach der Auszeichnung von St.Gallen 1992 – als Preisträgerin verkündet. Der Preis verleiht kurzfristig viel Aufmerksamkeit, doch genauso schnell scheint diese wieder abzuflachen. Dennoch die Frage: Was hat der Preis der Stadt Wil gebracht?
Die Stadt Wil erhielt vor knapp 40 Jahren den Wakker-Preis wegen der sorgfältigen Erhaltung der Altstadt und deren Aufwertung als Lebensraum, wie es damals in einer Mitteilung hiess. Auch die Zentrumsplanung in der näheren Umgebung spielte eine Rolle. Denn die Verbindung zwischen Altstadt und Bahnhof wurde zu Gunsten der Fussgängerinnen und Fussgänger vom Autoverkehr entlastet und das Einkaufszentrum somit aufgewertet.
Der Preis habe damals eine grosse Bedeutung für die Stadt gehabt, sagt Ruedi Schär, Ortsbürgerrat der Ortsgemeinde Wil. «Es war ein riesiges Volksfest, der ganze Hofplatz war gefüllt.» Die Stadtmusik, die Stadttamburen und der Kinderchor seien aufgetreten und man sei stolz gewesen.
Der Preis sei eine Anerkennung für all diejenigen gewesen, die sich um die Altstadt gekümmert haben, sagt Ruedi Elser. «Es ist zudem ein Ansporn für Künftiges.» Auch der damalige Stadtammann Hans Wechsler bezeichnete den Preis als Anerkennung und Verpflichtung zugleich. Elser findet, der Preis habe der Wertschätzung und dem Engagement in den nachfolgenden Jahren sehr gedient. Zwischen 2001 und 2008 arbeitete er als Altstadtberater der Stadt Wil. «Die Bewohnenden der Altstadt haben ihre Häuser aus Überzeugung und Freude gepflegt und erhalten.» Damals sei die Haltung eine andere gewesen. Heute verbinde man die Denkmalpflege und den Ortsbildschutz vor allem mit den verschiedenen Auflagen.
Auch im Tourismusbereich war in den 80er-Jahren ein Aufschwung spürbar. Ruedi Schär, der auch Stadtführer ist, sagt: «Das Interesse an Stadtführungen ist nach der Preisverleihung massiv gestiegen.» Er glaubt, dass sich dies sogar als nachhaltig erwiesen habe. Damals gab es noch drei Stadtführer, mittlerweile sind zehn Leute im Team. «Ansonsten ist vom Preis nicht viel geblieben», sagt Schär. Er erwähne an Stadtführungen zwar immer, dass Wil den Wakker-Preis erhielt. Aber: «Viele kennen den Preis gar nicht.»
Der Wakker-Preis hätte langfristiger wirken können, wenn man mit dem damaligen Preisgeld von 10'000 Franken etwas verwirklicht hätte, sagt Schär. Dann würde nun etwas an den Preis erinnern. Seine Nachforschungen hätten aber gezeigt, dass wohl Ideen diskutiert, aber nie umgesetzt worden seien.
Auch für Ruedi Elser ist klar, dass der Preis nur mittelfristig eine Wirkung gezeigt habe. «Ein Preis ist kein Selbstläufer», sagt er. «Aber es kann ein Ansporn sein, dranzubleiben, den eigenen Ort weiter zu pflegen.» Dieses «Feu sacré» sei in den letzten Jahren vielleicht etwas abgeflacht, sagt Elser. Man kümmere sich gut um die Altstadt, aber heute hätten aktuelle, individuelle Interessen oft eine höhere Priorität als das langfristige Gemeinwohl, findet er. «Im Vergleich zu Lichtensteig könnte Wil wieder etwas aktiver werden.»
Trotz allem findet Elser, dass der Wakker-Preis seine Berechtigung habe. Der Preis weise auf etwas Positives hin, erzeuge Aufmerksamkeit und sei eine Anerkennung sowie Belohnung, sagt er. Nicht nur das: «Die Leute haben Freude an schönen Ortsbildern und Städten und besuchen diese auch gerne.» Es sei schön, dass man darüber rede.