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Nach zehn Jahren verlässt Ueli Vogt das Zeughaus Teufen. Eigentlich könnte er sich nun zurücklehnen. Doch ab Januar leitet er den Kunstraum Kreuzlingen. «Ich will dem Leben nochmals einen Schupf geben», sagt Vogt.
Eigentlich könnte sich Ueli Vogt zurücklehnen. Seine Zeit als Kurator im Zeughaus Teufen ist vorbei. Er hat das Haus in den vergangenen zehn Jahren zu einer wichtigen Ausserrhoder Kulturinstitution entwickelt. Rund 70 Ausstellungen, 100 Veranstaltungen und 640 Führungen hat er gemacht. Nun übergibt er die Leitung an David und Lilia Glanzmann.
Doch die nächste Herausforderung wartet bereits: Im Januar tritt er zusammen mit Reto Müller die Nachfolge von Richard Tisserand im Kunstraum Kreuzlingen an; Tisserand ist Ende November an den Folgen seiner ALS-Erkrankung verstorben.
«Ich will dem Leben nochmals einen Schupf geben», sagt Vogt. Vielleicht hat es aber auch mit Nostalgie zu tun, dass es ihn nach Kreuzlingen, in seine alte Heimat, zurückzieht. «Je älter, desto nostalgischer wird man.» Vogt ist auf einem Güttinger Bauernhof aufgewachsen; er machte eine Ausbildung als Gärtner, bevor er in Winterthur Architektur studierte. Ehe er nach Teufen kam, baute er das Werkstoffarchiv Sitterwerk in St.Gallen auf. Ebenso half er beim Aufbau der Shedhalle im Kulturzentrum Eisenwerk in Frauenfeld.
Vor der neuen Aufgabe, einen Kunstraum zu kuratieren, hat er Respekt. «Ich bin kein Kunsthistoriker.» Doch er habe gerne Kunst, und ihn reize diese «reine Form»: Er wird fortan ausschliesslich Kunstausstellungen machen. Was genau er zeigen wird, will er aber noch nicht verraten.
Kreuzlingen sei «eine Spur urbaner» als Teufen, sagt Vogt. Dieser «Agglo-Charakter» gefalle ihm. Nicht immer sei es leicht gewesen, ein Kulturhaus in einem so ländlichen Ort wie Teufen zu führen. Dennoch habe er die Provinz lieb gewonnen. «Ich bin ein Spezialist geworden für Provinzphänomene», sagt Vogt und lacht. «Gerade auf dem Land kann man viele Entdeckungen machen. Es gibt viel Verschrobenes, Unerwartetes, oder Dinge, die quer in der Landschaft stehen.» Ein Museum versteht er als Labor, um genau solche Phänomene zu untersuchen.
Nach Teufen kam er wegen seiner Faszination für die Ausserrhoder Baumeisterfamilie Grubenmann. Das Grubenmann-Museum bildet das Herzstück des Zeughauses. Es ist im Dachstock untergebracht und beinhaltet eine Sammlung von historischen Brücken- und Kirchenmodellen. An Grubenmann-Bauten fasziniert ihn das Ungenaue und Unperfekte. «Es sind oft mittelmässige Bauten.»
Das Ungenaue, Unperfekte, ja Chaotische ist auch zu seinem kuratorischen Motto geworden, die Ausstellung über Ruedi Zwissler im Jahr 2015 ist ein gutes Beispiel dafür. «Zwissler war ein sehr exakter Ausstellungsgestalter. Wir haben seine Werke aber bewusst unordentlich ausgestellt, auf schiefen Regalen zum Beispiel. Das passte nicht allen. Ein Leserbriefschreiber bezeichnete damals die Ausstellung als Beleidigung.» Und auch das kürzlich erschienene Jubiläumsbuch, welches das Schaffen von Ueli Vogt dokumentiert und würdigt, ist nach dem Chaos-Prinzip gestaltet: Das 400-seitige Buch besteht aus 11000 wild angeordneten Mini-Fotos. Allein auf dem Umschlag sind 30 davon zu sehen; sie werden überlagert von Wörtern wie «Hartnäckigkeit», «Breitwinkelperspektive» oder «denkende Hand». Wörter, die perfekt zu Ueli Vogt passen.
Dem Appenzellerland bleibt Ueli Vogt, der in St.Gallen lebt, aber weiterhin verbunden: Für 2023/24 übernimmt er die künstlerische Leitung der Ausserrhoder Kulturlandsgemeinde. Und auch mit Grubenmann beschäftigt er sich vielleicht bald wieder: Er könnte sich gut vorstellen, ein neues Buch über die Baumeisterfamilie herauszugeben. Das war auch der Wunsch von Rosmarie Nüesch-Gautschi, der Gründerin des Grubenmann-Museums, die im Herbst mit 92 Jahren verstorben ist.