Dauerstreit
«Es geht um meine Existenz»: Das sagt die betroffene Bevölkerung aus Wolfikon zum Windpark Thundorf

Auf dem Wellenberg soll ein Windpark mit acht Anlagen entstehen. Drei davon würden in unmittelbarer Nähe zum Weiler Wolfikon zu stehen kommen. Ein Besuch im Dorf zeigt: Der Windpark ist grosses Gesprächsthema bei den Leuten.

Sabrina Bächi
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Bauer Andreas Bommer sorgt sich um seine Kühe. Der Windpark Thundorf könnte seine Existenz bedrohen.

Bauer Andreas Bommer sorgt sich um seine Kühe. Der Windpark Thundorf könnte seine Existenz bedrohen.

Bild: Mario Testa

Ein zugiger Wind geht, kleine Schneeflocken tanzen durch die Luft. Würden die Windräder auf dem Wellenberg bereits stehen, so würden sie sicherlich schnell drehen und viel Strom erzeugen. Noch ist es aber noch nicht so weit. Ob es überhaupt so weit kommt, steht noch in den Sternen.

Im Dorf ist er das Gesprächsthema Nummer eins: der Windpark auf dem Wellenberg. Alle beschäftigt es. Ein Rundgang im Dorf zeigt aber auch etwas anderes: Die betroffene Bevölkerung macht sich vor allem Sorgen zu Fragen, die vielleicht nicht wichtig erscheinen, deren Antworten teils aber Existenzen bedrohen könnten.

Falls dereinst der Windpark Thundorf entsteht, dann wäre die Bevölkerung im kleinen Weiler Wolfikon zwischen Thundorf und Bissegg stark davon betroffen. Manche Häuser hier stünden dann nicht einmal 500 Meter von den über 200 Meter hohen Windrädern entfernt. Das beschäftigt die Wolfiker sehr. Doch der allfällige Lärm scheint für sie nicht das Schlimmste zu sein.

Viele unbeantwortete Fragen

«Mich beschäftigt sehr stark, ob es für meine Tiere schädlich ist», sagt Andreas Bommer. Der Stall des Landwirts ist nur gerade 300 Meter vom Waldrand, wo die Windturbinen stehen sollen, entfernt. «Ich frage mich, ob meine Kühe bei den Vibrationen und dem Lärm noch richtig kalben oder ob es allenfalls Missbildungen gibt», sagt der Wolfiker. «Die Ungewissheit macht mir Angst. Und da niemand Erfahrung damit hat, kann mir niemand meine Fragen beantworten», sagt er.

Die Wolfiker hätten in unmittelbarer Nähe drei grosse Windkraftanlagen.

Die Wolfiker hätten in unmittelbarer Nähe drei grosse Windkraftanlagen.

Bild: EKZ

Für Regierungsräte, Beamte oder die Planerin EKZ seien das vielleicht unwichtige Fragen, «aber für mich geht es um die Existenz». Seit Generationen bewirtschaftet seine Familie den Hof. Rund 50 Kühe und Rinder hat der Bauer.

Um den Stall zu säubern, benutzt Bommer Wasser von der Wolfiker Wasserquelle. Sie liegen im Wald, etwa dort, wo die Turbinen hin sollen. «Es weiss auch noch niemand, ob das einen negativen Einfluss auf den Wasserfluss hat», gibt er zu bedenken. Und das Wasser künftig von Amlikon zu beziehen und es entsprechend auch zu zahlen, gehe dann schon ins Geld. «Vor allem über die Jahre», sagt er.

Auch den Schaden im Wald, den die Bauarbeiten sicherlich verursachen würden, bekümmert ihn. Täglich sei er im Wald. Die Bauarbeiten würden eine Schneise in den Wald ziehen. Dies führe zu Krankheiten und Befall von Borkenkäfern, da die Bäume plötzlich ungeschützt seien. Alles wieder aufzuforsten, könne zudem Jahrzehnte dauern.

Die drei östlichen Windturbinen stehen direkt an der Grenze zur Gemeinde Amlikon-Bissegg.

Die drei östlichen Windturbinen stehen direkt an der Grenze zur Gemeinde Amlikon-Bissegg.

Infografik Chmedia / OSM

Dass ihn der Lärm stören wird, darüber macht er sich weniger Gedanken. «Tagsüber bin ich ja auch am Werken, dann fällt es sicher nicht so auf. Aber vielleicht nach dem Feierabend mal, wenn man eigentlich Ruhe möchte.» Dieser Punkt ist für ihn aber eher nebensächlich.

«Ich wohne und arbeite hier, das ist nicht wie in einer Mietwohnung, aus der ich zügeln kann, wenn es mir nicht mehr passt. Und das macht mir Bauchweh.» Er fürchtet um das Weiterbestehen seines Hofs, das Wohl seiner Tiere, den Wald und das Quellwasser. Auch wenn er nicht grundsätzlich gegen die Windkraft sei, so ist die Gefährdung seiner Lebensgrundlage für ihn nicht von der Hand zu weisen.

«Ich habe nicht das Geld, um gegen so grosse Player juristisch vorzugehen. Ich muss die Unsicherheit einfach hinnehmen. Die Fragen bleiben unbeantwortet und ich kann nur hoffen. Das macht mir Angst.»

Versprechen würden nicht eingehalten – das stört

Auch Ernst und Edith Burkhart schauen skeptisch in Richtung Wald, wo dereinst die Anlagen mit 246 Metern Rotorblatthöhe aufgestellt würden. «Kürzlich sind wir durch Zürich gefahren und haben uns gefragt, wie hoch die Gebäude wohl sind», erzählt Edith Burkhart. So wollten sie sich vor dem inneren Auge verdeutlichen, was sie künftig gleich vor der Nase stehen hätten.

Das Ehepaar und die drei Kinder, die mit ihren Familien in Wolfikon wohnen, würden dann vom Sitzplatz direkt an die Windräder schauen. «Unser Sohn ist vehement dagegen, läckmer am Tschöpli, ja, der ist ein starker Gegner», sagt Ernst Burkhart und streicht sich durch den Bart.

Der ehemalige Postautochauffeur wohnt seit seiner Geburt in Wolfikon. Bald 70 Jahre. «Mehr als die Windräder an sich stört mich bald, wie wir von der Gemeinde Thundorf behandelt werden», moniert er. Versprechen seien nicht eingehalten worden.

Ernst und Edith Burkhart in ihrem Garten. Im Wald im Hintergrund stünden die Windräder.

Ernst und Edith Burkhart in ihrem Garten. Im Wald im Hintergrund stünden die Windräder.

Bild: Mario Testa

Wie laut die Turbinen sind, können sich beide nicht vorstellen. «Wir wollen mal in einen Windpark gehen und uns das selbst anhören», meint Edith Burkhart. Die Frage sei auch, was für Auswirkungen die Infraschallwellen hätten. Und auch, was mit der Wasserquelle sei. «Hinzu kommt, dass wir dann an der Hauptstrasse den ganzen Werkverkehr haben, bis die Windräder stehen», gibt sie zu bedenken. «Also im Dorf ist das schaurig ein Thema.» Beide hoffen aber, durch das Mitwirkungsverfahren oder mittels Einsprachen Einfluss auf den Bau nehmen zu können.

Mit seiner Meinung steht er alleine da

Ein Mann, dessen Nordfront des Hauses mit grosser Glasscheibe ebenfalls einen Blick auf die nahen Windräder bieten würde, gibt sich etwas bedeckt mit seiner Aussage. «Unser Energieverbrauch hat seinen Preis», sagt er. Daher sei er eigentlich nicht gegen den Bau der Anlage. Auch nicht aus ästhetischer Sicht oder wegen des Lärms. «Mit dieser Meinung stehe ich im Dorf aber alleine da.»

Er habe aber in den Gesprächen mit der Bevölkerung feststellen müssen, dass es für viele ans «Lebige» gehe. Im Sinne der Gemeinschaft wolle er sich deshalb nicht mehr öffentlich für den Bau der Anlagen aussprechen. «Was mich mehr irritiert, ist, dass wir politisch nicht mitbestimmen dürfen. Viele hier tragen die grössere Last als Bewohner der Gemeinde Thundorf. Eine politische Mitbestimmung ist für mich eigentlich selbstverständlich.»

Jetzt haben die Bewohnerinnen und Bewohner von Wolfikon noch freie Sicht in die Natur. Genau hier im Wald würde eines der Windräder aufragen.

Jetzt haben die Bewohnerinnen und Bewohner von Wolfikon noch freie Sicht in die Natur. Genau hier im Wald würde eines der Windräder aufragen.

Bild: Mario Testa

Baulärm und die vielen Lastwagen bekümmern sie

Auch Heidi Weber beschäftigt das Thema Windräder. Seit zehn Jahren wohnt sie in Wolfikon. Tritt sie aus der Tür, würde sie die Windräder sehen. Auf der anderen Hausseite trifft sie die Mehrbelastung durch den Lastwagenlärm, sollten die Windräder gebaut werden. «Das macht mir Angst. Der Lärm, wenn sie die Turbinen bauen», sagt sie. Klar habe man die Messstation gesehen, wie sie im Wald stand. Aber, dass die Anlagen nun so nah kommen, damit habe auch sie nicht gerechnet.

«Blöd und problematisch» findet sie die Situation. Schliesslich müssten für die Bauarbeiten auch Strassen in den Wald gebaut werden. Dass man energietechnisch irgendetwas machen müsse, sei klar. Aber, dass Wolfikon die Hauptlast trägt und dennoch nicht mitbestimmen kann, das verstehe hier im Dorf wirklich gar niemand.

Die Wolfikerinnen und Wolfiker können sich nicht daran erinnern, jemals ein Dorfthema gehabt zu haben, das die Gemüter so getroffen habe. Alle interessieren sich dafür, alle beschäftige es. Vom Schulkind bis zur Grossmutter, vom Landwirten bis zum Schreiner. Und noch nie seien sich alle so einig gewesen. Für das Dorf sind die Windräder emotional eine Herausforderung.