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Ostschweiz
Erwin Kessler steuert vor dem Zürcher Bezirksgericht auf die nächste Verhandlung zu. Der Tierschützer geht juristisch gegen einen Mann wegen übler Nachrede vor. Am Mittwoch wurde der Prozess kurzfristig verschoben.
Stein des Anstosses war der Leserkommentar eines Mannes in der Online-Ausgabe des "St.Galler Tagblatts". Der damals 46-Jährige hat im Februar 2017 unter einem Pseudonym auf den Kommentar eines anderen Lesers reagiert: "Herr Dittmann rechtfertigt antisemitische und rassistische Eskapaden mit tierschützerischen Argumenten. Meint dieser Mann das wirklich ernst oder ist das nur ein ganz übler Witz?"
Für Erwin Kessler bezieht sich der Leserkommentar klar auf seine Person. Diese Äusserungen lässt der Thurgauer Tierschützer daher nicht auf sich sitzen und geht juristisch dagegen vor. In der Anklageschrift steht dazu: "Der Beschuldigte tat dies ohne objektiv begründete Veranlassung, mithin weder zur Wahrung öffentlicher noch privater Interessen, im Bewusstsein der Ehrenrührigkeit seiner Behauptung und mit der vorwiegenden Absicht, dem Geschädigten Übles vorzuwerfen."
Der für Donnerstag anberaumte Prozess wurde am Mittwoch kurzfristig verschoben – "aus prozessualen Gründen", wie das Gericht mitteilte. Der neue Termin ist noch nicht bekannt.
Für Erwin Kessler und den Beschuldigten wird es nicht das erste Zusammentreffen vor Gericht sein. Bereits im Mai 2017 standen sich die beiden Parteien gegenüber. Damals hatte der Beschuldigte den Tierschützer und den "Verein gegen Tierfabriken Schweiz" (VgT) auf Facebook als "Antisemiten", respektive "antisemitischen Verein", "Rassisten" und "Faschisten" bezeichnet. Ausserdem markierte er mehrere Facebook-Beiträge Dritter, die solche Inhalte enthielten, mit "gefällt mir", kommentierte und verlinkte je einen solchen Beitrag.
Das Zürcher Bezirksgericht stellte damals klar, dass die Äusserungen ehrverletzend sind und hat den Mann wegen mehrfacher übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 100 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt.
Zudem hatte das Gericht argumentiert, mit dem Anklicken des "gefällt mir"-Buttons habe der Mann die ehrverletzenden Inhalte klar befürwortet und sie sich damit zu eigen gemacht.
Welches Urteil das Zürcher Bezirksgericht im neusten Fall fällen wird, wird sich frühestens im Mai zeigen. Der Entscheid dürfte nicht nur für den Beschuldigten von grosser Tragweite sein, sondern vor allem auch für zahlreiche weitere Personen und Organisationen, die von Erwin Kessler und seinem Verein angezeigt werden. Das Bezirksgericht Winterthur hat erst kürzlich eine grüne Politikerin vom Vorwurf der üblen Nachrede zulasten des Tierschützers freigesprochen. Und das, obwohl sie ihn laut Anklageschrift als "Mensch mit einer klar antisemitischen und ausländerfeindlichen Haltung" und als "Nazi" bezeichnet hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Kessler schreibt auf Facebook, er habe Berufung eingelegt.
Der Thurgauer Tierschützer Erwin Kessler wehrt sich systematisch mit allen rechtlichen Mitteln gegen Berichte und Äusserungen, die auf eine antisemitische Einstellung abzielen. Roger Schawinskis "Radio 1" musste unlängst eine Aussage des Chefredaktors der "Basler Zeitung", Markus Somm, auf einem Podcast entfernen. Somm hatte Kessler als "gruusigen Antisemiten" bezeichnet. Gegen den Berner "Bund" verlor Kessler 2002 vor Bundesgericht. Die Zeitung hatte ihm Kontakte zur "Neonazi- und Revisionistenszene" vorgehalten. Auch gegen "Le Matin" unterlag er im Jahr 2015 in Lausanne. Die Behauptung, er verharmlose den Holocaust, war in jenem Fall nicht als ehrverletzend beurteilt worden.
In den auf der Homepage des VgT publizierten Texten Kesslers finden sich zahlreiche Passagen, in denen er die Massentierhaltung mit dem Holocaust vergleicht. Seine Äusserungen zum Schächten führten zu lang andauernden juristischen Auseinandersetzungen. (pho)