Seit die Kantone für Behinderten-Institutionen zuständig sind, tragen diese eine höhere Selbstverantwortung. Das findet OVWB-Geschäftsleiter Peter Hüberli-Bärlocher gut. Wenig hält er von den Sparmassnahmen des Kantons St. Gallen.
Peter Hüberli-Bärlocher: Das ist nicht nur bei unserer Institution so. Die Unterversorgung an Angeboten für Menschen mit körperlichen Behinderungen oder mit Hirnverletzungen – anders als für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung – im Kanton St. Gallen ist bekannt. Der Kanton hat aber eine Gewährleistungspflicht: er muss Plätze schaffen oder ausserkantonal zahlen, wenn Betroffene dort Hilfe beanspruchen. Allerdings kennt nicht nur St. Gallen eine Unterversorgung.
Hüberli: Für Personen, die einen stationären Wohnplatz brauchen, sind die Pflegeheime ein Puffer. Über 200 Personen im IV-Alter – also über 18, aber noch nicht 65 – leben in Pflegeheimen. Die sind aber auf Aufenthalte von zwei bis drei Jahren, den letzten Lebensabschnitt, ausgerichtet.
Hüberli: Wer keinen Platz findet, hat keine Alternative. Viele Menschen, die ein Angebot nötig hätten, nehmen keine Hilfe in Anspruch. Das belastet sie und ihr Umfeld – bis hin zu psychischen Erkrankungen, die dann auch wieder kosten.
Hüberli: Ja. Oder wer ein Umfeld hat, das sich einsetzt. In diesem Zusammenhang steht auch die «Scheininvalidität». Die grösste Gruppe der Personen mit einer echten Behinderung jedoch will arbeiten Aber es braucht auch Angebote und das Wissen, wie man da hinkommt.
Hüberli: Ab 2014 gibt es laut dem neuen kantonalen Behindertengesetz eine professionelle Bedarfsplanung in Zusammenarbeit mit den Behindertenorganisationen. Bis jetzt meldeten die Institutionen ihren Platzbedarf und wiesen ihn nach. Neue Angebote hingen davon ab, ob eine Institution dies organisatorisch schaffte. Von jetzt an klärt der Kanton wie bei den Spitälern ab, wo es einen Bedarf gibt und wer ihn abdecken könnte.
Hüberli: Zusammen mit der Stadt Rapperswil-Jona planen wir für Personen, die nicht in Pflegeheime gehören, eine Wohngruppe mit punktuellen Spitex- beziehungsweise Assistenzdienstleistungen. Diese Lösung ist überall, dezentral und ohne übermässige Infrastruktur möglich. Es genügen Wohnungen, die mit relativ geringem Aufwand hindernisfrei umgebaut werden.
Hüberli: Das Bild ist vielfältig. Personen mit Hirnverletzung haben dank medizinischem Fortschritt grössere Überlebenschancen, sind dann aber oft schwerer behindert. Bei den Personen, die mit einer Behinderung geboren werden, stieg die Zahl nicht an.
Hüberli: Deshalb reden wir von funktionaler Gesundheit. Das heisst, dass die Person selber bestimmt, was sie kann und wo sie Unterstützung braucht und sich hin entwickeln will. Es braucht eben nicht nur – quantitativ – einen Platz, sondern auch – qualitativ – eine funktionsgerechte Unterstützung. Sonst verschlechtert sich der Zustand einer Person.
Hüberli: Es wird billiger. Leute in einer stationären Einrichtung werden 24 Stunden an 365 Tagen betreut. Der klassische Heimplatz ist das Teuerste, und viele brauchen den nicht. Hier ist die Zusammenarbeit der Einrichtungen wichtig. Steht die Betreuungskette, können sich einige Betroffene schrittweise hin zu einer grösseren Selbständigkeit, also weniger Betreuungsbedarf, entwickeln.
Hüberli: Ein Mensch muss ganzheitlich angesehen werden. Zum Beispiel entwickeln Leute mit einer Hirnverletzung meist auch psycho-soziale Auffälligkeiten.
Hüberli: Im Gegenteil. Die früheren rigiden Kontrollen schränkten den Betrieb ein. Die heutigen globalen Budgets sind sinnvoller.
Hüberli: Nein. Aber weil bei den Betroffenen mit überdurchschnittlichem Betreuungsaufwand der Betrag nicht einzusparen ist, wird man die Grenzen verschieben müssen, so dass auch durchschnittlich teure Angebote noch zu teuer sind. Also wird beim Personal gespart werden, was zu einer Qualitätseinbusse führen wird. Weil aber der Kanton gemäss Bundesrecht trotzdem die Versorgung gewährleisten muss, ist im Sparpaket eine Progression vorgesehen, so dass langfristig dennoch zusätzliche Plätze geschaffen werden können.
Hüberli: So ist es. Deshalb wird unter dem Strich mit der Sparmassnahme oder wenn kein bedarfsgerechtes Platzangebot vorhanden ist, nichts gespart, im Gegenteil. Mit dem im Juni 2012 verabschiedeten neuen Finanzierungskonzept hingegen könnten Einsparungen erzielt und neue Plätze am richtigen Ort geschaffen werden. Es geht von vier Jahren Übergangsfrist aus und beruht auf der Festsetzung der Höchstansätze der Leistungsabgeltung.
Interview: Michael Walther