Weniger Schüler als noch im Vorjahr, trotzdem sind die Zahlen am BWZT in Wattwil relativ stabil

Rund 70 Lernende weniger traten dieses Jahr in die Berufsfachschule in Wattwil ein. Über die Jahre und vor dem Hintergrund sinkender Abgängerzahlen bei den Volksschulen ist die Zahl aber relativ stabil geblieben.

Ruben Schönenberger
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Weniger Jugendliche wollen eine Bäcker-Konditor-Confiseur-Lehre antreten. Die Zahl der Angestellten in der Branche sinke aber kaum.Bild: Getty Images

Weniger Jugendliche wollen eine Bäcker-Konditor-Confiseur-Lehre antreten. Die Zahl der Angestellten in der Branche sinke aber kaum.Bild: Getty Images

«Es ist nicht immer negativ, wenn wir weniger Lernende verzeichnen», sagt Sepp Fust. Er ist Mitglied der Schulleitung am Berufs- und Weiterbildungszentrum Toggenburg (BWZT) in Wattwil. Als Beispiel führt er die Brückenangebote an. Nur 41 Schülerinnen und Schüler besuchen im neuen Schuljahr eine Vorlehrklasse am BWZT. Im letzten Jahr waren es noch 64.

Insgesamt traten rund 70 Lernende weniger ein als noch im Vorjahr. Einzelne Rückgänge seien teilweise schwierig zu erklären. So gebe es aus dem offiziellen Schulkreis des BWZT beispielsweise nur 34 neue angehende Elektroinstallateure (Vorjahr: 40). Fust vermutet, dass sich der verwandte Beruf des Montageelektrikers auf dem Markt einer zunehmenden Nachfrage erfreut. Überraschend sei auch der Rückgang bei den Fleischfachleuten gewesen. Zumindest im Ausmass. «Das müssen wir analysieren, es kann aber natürlich immer auch an Veränderungen in den betrieblichen Strukturen liegen», sagt Fust.

Gründe können kurzfristiger Natur sein

Eine Erklärung könnte in der Tat bei den Betrieben liegen. Diese ist allerdings eher kurzfristiger Natur. So hat beispielsweise die Micarna in Bazenheid auf dieses Schuljahr zwar zehn Lernende im Bereich der Fleischverarbeitung eingestellt. Nur drei davon sind aber angehende Fleischfachleute. Dazu kommen fünf angehende Fleischfachassistenten, ein angehender Lebensmitteltechnologe und ein Lernender, der eine Vorlehre zum Fleischfachassistenten absolviert. Nur die angehenden Fleischfachleute gehen aber in Wattwil zur Schule.

Dank der eigenen Ausbildungswerkstatt sei man flexibler in der Auswahl. «Diese kann nächstes Jahr schon wieder ganz anders aussehen», sagt Deborah Rutz, Mediensprecherin der Micarna. «Wir stellen jedes Jahr zwischen sechs und zehn Lernende in diesem Bereich ein. Die Verteilung variiert aber je nach der schulischen Einteilung.»

Ein Viertel weniger Schulabgänger

Bei der Betrachtung der Schülerzahlen müsse man auch immer externe Faktoren berücksichtigen, sagt Fust weiter. So zum Beispiel die Schulabgängerzahlen. Wenn weniger Schülerinnen und Schüler die Volksschule abschliessen, treten auch weniger Schülerinnen und Schüler in die Berufsfachschule ein. Gemäss Fust hätten im Kanton St.Gallen 2008 noch rund 6600 Jugendliche die Volksschule abgeschlossen. Zehn Jahre später seien es noch rund 4900 gewesen, ein Rückgang von rund 25 Prozent. Und im Verhältnis von Lehre zu Kantonsschule habe sich während dieser Zeitspanne wenig geändert.

Vor dem Hintergrund der stark zurückgegangenen Abgängerzahlen dürfe man durchaus von stabilen Zahlen am BWZT sprechen, sagt Fust weiter. Wenn man den Viertel weniger Schulabgänger auf die Zahl der Lernenden ummünze, werde das deutlich. So seien zum Beispiel bei den Köchen aktuell über alle Jahrgänge 102 Lernende am BWZT. Zwar waren es früher etwas mehr – 2006 zum Beispiel noch 120 –, würde man aber die erwähnte Rechnung anstellen, wären gar nur 99 Köche zu erwarten.

Bäckerverband ist noch unbesorgt

Bei anderen Berufen zeige diese Rechnung aber auch, dass wirklich ein Umbruch im Gang sei. Bei stabilen Verhältnissen müssten zum Beispiel aktuell 86 Bäcker-Konditore-Confisseure am BWZT zur Schule gehen. Es wurden aber über die Jahre weniger. Aktuell sind es nur 61. «Hier sieht man, dass sich das Gewerbe verändert hat», erklärt Fust. Die Firmen würden heute einerseits durch andere Vertriebskanäle stärker konkurrenziert und andererseits tendenziell grösser, indem sie beispielsweise andere Bäckereien übernehmen und als eigene Filialen weiterführen. Dabei würde oft die eine oder andere Lehrstelle auf der Strecke bleiben.

Diesen Sachverhalt bestätigt auch Stefan Thalmann, Sekretär des Bäcker-Confiseurmeister-Verbands des Kantons St.Gallen. «Zwar gehen die Verkaufsstellen und die Zahl der Angestellten schweizweit nicht merklich zurück, aber dahinter stehen weniger Betriebe.» In diesem Konzentrationsprozess könne schon die eine oder andere Ausbildungsstelle auf der Strecke bleiben. Dagegen unternehmen müsse man aktuell noch nichts. «Wir können aktuell gar nicht alle Lehrstellen besetzen», sagt Thalmann. Den Rückgang der Lernenden führt er denn auch eher darauf zurück, dass aktuell geburtenschwache Jahrgänge die Lehre beginnen. «Wir bewegen uns in der Ostschweiz immer in einem ähnlichen Rahmen. Etwa 1 bis 1,1 Prozent der vor 16 Jahren Neugeborenen beginnen eine Lehre in unserer Branche», sagt der Verbandssekretär.

Geänderte Verordnungen als Ursache

Der grössere Rückgang in Wattwil lässt sich auch noch mit einem weiteren Grund erklären, der flexiblen Schulkreiseinteilung. Diese führe gemäss Fust dazu, dass nur noch eine Klasse am BWZT geführt werde und «überzählige» Lernende aus dem eigenen Schulkreis einer anderen Schule zugewiesen würden, um die Klassenbestände zu optimieren (siehe Diagramm). Generell könnten für Rückgänge aber auch weitere Gründe ausschlaggebend sein. Die aktuell gute Situation für angehende Lernende könne dazu führen, dass man einen Beruf zwar in Betracht ziehe, er aber nicht erste Wahl sei. Das könne an Einzelheiten liegen, wie zum Beispiel an aussergewöhnlichen Arbeitszeiten.

Manchmal sind die Veränderungen der Anzahl der Schülerinnen und Schüler am BWZT aber viel banaler. Bei den Zimmerleuten wurde 2014 beispielsweise eine neue Bildungsverordnung eingeführt. Die Änderungen, die sich daraus ergeben, können gemäss Fust bei den Betrieben zu einer vorsichtigeren Rekrutierung führen. Prompt verzeichnete das BWZT 2015 nur noch 143 lernende Zimmerleute über alle Jahrgänge, aktuell sind es bereits wieder 187.