Der Gemeinderat von Wildhaus-Alt St.Johann hat zwei Baugesuche für 5G-Handyantennen abgelehnt. Die Begründung der Behörde stösst bei der Swisscom auf Unverständnis, sie hat nun Rekurs beim Kanton eingereicht.
Mitte Dezember hat der Gemeinderat Wildhaus-Alt St.Johann auf rund 200 Einsprachen aus der Bevölkerung reagiert. Die Einsprachen kritisierten zwei Baugesuche für 5G-Antennen. Der Gemeinderat hiess die Einsprachen zu Teilen gut und hat die Baugesuche entsprechend nicht bewilligt (diese Zeitung berichtete). Nun regt sich Widerstand gegen den Widerstand. Als Baugesuchsstellerin hat die Swisscom beim Kanton Rekurs eingereicht, wie die Telekommunikationsfirma auf Anfrage bestätigt.
Ein Streitpunkt zwischen den Parteien ist die Frage: Wann sind Messwerte im Zusammenhang mit 5G «objektiv überprüfbar»? Der Gemeinderat schloss sich in diesem Punkt der Argumentation der Mobilfunkgegnerschaft an. Er hielt fest, dass es nicht möglich sei, jederzeit und unabhängig Zugriff auf die Daten der Stationen zu erhalten. Entsprechend sei nicht gewährleistet, dass die Einhaltung der Grenzwerte objektiv überprüft werden könne.
Dem widerspricht nun die Swisscom. Die Medienbeauftragte Sabrina Hubacher sagt:
«Die Kontrolle der Mobilfunkanlagen und Einhaltung der Grenzwerte ist in der Schweiz sichergestellt.»
Die Betreiber seien per Bundesgerichtsentscheid verpflichtet, ein Qualitätssicherungssystem einzusetzen, welches die Grenzwerte überwacht und dokumentiert. Dann gäbe es nach Inbetriebnahme einer Anlage immer Abnahmemessungen. Und nicht zuletzt können die Behörden jederzeit auf die Betreiber zwecks einer Kontrolle zukommen respektive das Bundesamt für Kommunikation konsultieren.
Tatsächlich ist eine klassische Überprüfbarkeit mit Messgerät, wie sie den Einsprecherinnen und Einsprechern in Wildhaus vorschwebt, technisch kaum umzusetzen. Anders als bei älteren Mobilfunkgenerationen funktionieren 5G-Systeme adaptiv, das heisst, sie geben ihre Sendeleistung nicht konstant und grossflächig, sondern je nach Situation unterschiedlich stark und gerichtet ab.
Bei älteren Technologien wird das Signal mehr oder weniger konstant und in alle Richtungen des Sendegebiets abgegeben. Bildlich gesprochen bewässert man mit einem Rasensprenger ein Fussballfeld. Der Funkturm muss so viel Leistung bieten, dass das gesamte Einzugsgebiet genügend stark «geflutet» ist, egal, wo sich ein einzelnes Empfangsgerät befindet. Die Werte für den Funkturm und dessen Umgebung lassen sich also jederzeit durch eine einfache Messung überall auf dem «Fussballfeld» ermitteln.
Bei 5G-Systemen ist das nicht der Fall. Die Strahlenlast für die Umgebung ist nicht von der Sendeleistung des Funkmasts abhängig, sondern zu welchem Zeitpunkt sich wo genau wie viele Handys mit dem Turm verbinden. Kontaktiert etwa das Handy eines Postauto-Passagiers das 5G-Netz, bewegt sich das Signal mit dem Postauto mit, ohne dass die Umgebung davon betroffen wäre. Um beim Bild zu bleiben: 4G arbeitet wie ein Rasensprenger, 5G hingegen wie ein Gartenschlauch.
Wie stark dieses Signal ist, der «Schlauch spritzt», hängt von der Distanz zwischen Postauto und dem nächstgelegenen Funkturm ab. Dabei kann es bei punktuellen Messungen durchaus vorkommen, dass man kurzzeitig und punktuell die Grenzwerte überschreitet – aber nicht für die Umgebung und Bevölkerung, wie bei den früheren «Rasensprenger»-Antennen, sondern nur genau an diesem lokalen Messpunkt und abhängig davon, wie viele Daten das Endgerät gerade benötigt.
Mit zusätzlichen Funktürmen geht also die Strahlenbelastung für die Umgebung zurück, da sowohl die Sendeleistung an den Türmen als auch die Empfangsleistung an den Handys sinkt, wie der Dokumentation des europäischen Marktführers Infineon zu entnehmen ist. Sabrina Hubacher von der Swisscom fasst es so zusammen: «Verhinderte Antennen führen in aller Regel zu mehr Exposition, nicht weniger.»
Einzeldaten einer Antenne können systembedingt keine Auskunft darüber geben, wie es um die tatsächliche Belastung von Umwelt und Bevölkerung steht. An dieser Stelle setzt die Gesetzgebung des Bundes an. Da die Mobilfunkbetreiber dazu verpflichtet sind, diese Daten zu sammeln und herauszugeben, ist aus Sicht des Gesetzgebers gewährleistet, dass die Einhaltung der Grenzwerte überprüfbar bleibt. Das dazugehörige Mess-Prozedere hat das Eidgenössische Institut für Metrologie ausgearbeitet.
Wie es nach Einsprache der Swisscom in Wildhaus-Alt St.Johann weitergehen wird, ist zurzeit noch offen. Der Fall liegt nun beim Baudepartement des Kantons St.Gallen.