Stark in der Landwirtschaft verwurzelt

Die Kantone Waadt und St. Gallen beherbergen je eine wichtige Jahresmesse – in Lausanne das Comptoir Suisse, in St. Gallen die Olma.

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Blick auf die idyllische Weinregion Lavaux, von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. (Bild: pd)

Blick auf die idyllische Weinregion Lavaux, von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. (Bild: pd)

Die Kantone Waadt und St. Gallen beherbergen je eine wichtige Jahresmesse – in Lausanne das Comptoir Suisse, in St. Gallen die Olma. Im letzten September hat das Comptoir St. Gallen empfangen. Es ist für den Kanton Waadt ein Privileg, nun an der Olma teilnehmen zu dürfen, einem Fest, das für seine Gastlichkeit bekannt ist.

Zwei sich eher fremde Kantone
Die Olma hatte den Kanton Waadt seit 41 Jahren nicht mehr empfangen. Das ist eine lange Absenz. Sie bedeutet nicht, dass wir uns völlig aus dem Weg gehen: so haben Waadt und St. Gallen die 200-Jahr-Feier unserer Kantone und der Mediationsakte 2003 in Paris gemeinsam gefeiert. Trotzdem bleiben sich unsere beiden Kantone eher fremd.

Der Kanton Waadt ist eher gegen Süden und Westen, St. Gallen gegen Osten und Norden gewandt. Die Blicke der beiden Stände treffen sich deshalb eher selten. Der Austausch erweist sich als wenig zahlreich. Diese Distanz hat verschiedene Ursachen. Die erste ist zweifellos eine geographische. Ausserdem dürfen die sprachlichen, kulturellen, historischen und konfessionellen Unterschiede nicht ausser Acht gelassen werden: Der Kanton St. Gallen befand sich sehr früh im Einzugsbereich der Schweiz und der germanischen Welt, während mein Kanton eher den Einfluss des Rhonebeckens erdulden musste. Das Waadtland ist um einen lateinischen Bischofssitz entstanden, während St. Gallen im Schatten eines irischen, später germanischen Klosters gross geworden ist. Schliesslich ist der Kanton Waadt reformiert mit einer ländlichen, katholischen Enklave. Bei St. Gallen ist die Situation umgekehrt – ein katholischer Kanton mit städtischer, protestantischer Enklave.

Kontakt mit anderen Ländern
Es wäre möglich, weitere Unterschiede zu nennen. Es erscheint mir aber viel interessanter, Gemeinsamkeiten aufzuzählen. Wie erwähnt sind das Waadtland und St. Gallen Zeitgenossen, sind 1803 nach dem Willen von Napoleon Bonaparte entstanden, der mit der gleichen Mediationsakte auch das Tessin, Graubünden, Thurgau und Aargau gegründet hat. Nicht allzu sehr betonen möchte ich die Tatsache, dass die Waadtländer und die St. Galler die gleichen Farben aufziehen – Grün-Weiss.

Wichtiger scheint mir, dass unsere Kantone an der Grenze liegen: wir pflegen also regen Kontakt mit anderen Ländern. Wir müssen uns mit den gleichen Schwierigkeiten auseinandersetzen, die sich aus der Zusammenarbeit mit Staaten ergeben, die nach anderen Mechanismen funktionieren als wir. Und: Unsere beiden Kantone sind ziemlich weit entfernt von den Entscheidungszentren Bern und Zürich; wir haben das gleiche Problem, uns dort Gehör zu verschaffen.

Unsere beiden Stände sind stark in der Landwirtschaft verwurzelt. Das macht uns besonders sensibel für die Schwierigkeiten, die der primäre Sektor durchmacht. Die Kantonsgebiete weisen eine ähnliche Struktur auf, in der ländliche und städtische Zonen vermischt sind. Diese Mischung führt zu Problemen in der Raumplanung und sie bedingt eine ständige Suche nach dem Gleichgewicht zwischen Nähe und Effizienz des Öffentlichen Dienstes.

Schliesslich sind wir beides Standortkantone von Hochschulen mit den Vorteilen und den Kosten, die damit verbunden sind. All diese Ähnlichkeiten führen logischerweise dazu, dass wir gemeinsame Interessen haben.

Die Olma ist für unsere beiden Kantone eine Gelegenheit, sich besser kennenzulernen. In diesem Sinn haben sich die Organisierenden entschieden, die vielfältigen Facetten des Kantons Waadt an der Olma zu präsentieren: die Kultur, die Industrie, die Bildung, den Tourismus, die Landwirtschaft, die Politik.

Es genügt aber nicht, mit Ihnen zu feiern, es genügt nicht, seine Produkte zu fördern. Der Kanton Waadt hat weitergehende Ziele: er erhofft sich, dass durch die beidseitig besseren Kenntnisse die Bande zu St. Gallen gestärkt und dass eine engere Zusammenarbeit ermöglicht
wird.

Möge dieser Wunsch Wirklichkeit werden. Möge es ein schönes Fest werden. Und möge die Zeit nach dem Fest fruchtbar werden für den Wohlstand und die Ausstrahlung unserer beiden Kantone.

Pascal Broulis, Staatsratspräsident des Kantons Waadt