ROYALER ABLEGER IM THURGAU
Kreuzlinger Sanatorium behandelte zwei Jahre Prinz Philips Mutter – Prinzessin Alice war eine bemerkenswerte Frau

Wegen sexueller Frustration und paranoider Schizophrenie verbrachte die Mutter des kürzlich verstorbenen Prinz Philips – Alice Mountbatten – zwei Jahre im Sanatorium Kreuzlingen.

Ida Sandl
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Das einstige Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen ist heute ein Geschäftshaus.

Das einstige Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen ist heute ein Geschäftshaus.

Bild: Reto Martin

Zweieinhalb Jahre lebte die Mutter des verstorbenen Prinzen Philip im noblen Kreuzlinger Sanatorium Bellevue. Die Doktoren Ernst Simmel und Sigmund Freud haben 1930 bei ihr eine paranoide Schizophrenie festgestellt. Sexuelle Frustration habe dazu beigetragen, herbeigeführt durch nicht ausgelebte Leidenschaft. Freud rät daraufhin zu einer starken Bestrahlung der Eierstöcke, um die Menopause zu beschleunigen. So schreibt es die «NZZ am Sonntag» in einem Artikel über das bemerkenswerte Leben der Prinzessin Alice Mountbatten.

Belege für die geistige Verwirrung der Prinzessin habe es keine gegeben, ausser, dass sie sich in ihrer Zeit in Paris sehr für Okkultismus zu interessieren begann, Gläserrücken geübt und Botschaften aus der Welt der Geister empfangen habe. Allerdings hatte es Prinzessin Alice auch nicht immer einfach.

Familie ohne Vermögen

Verheiratet ist sie mit Prinz Andreas, dem Sohn des griechischen Königs. Nach einem Staatsstreich kann sich die Familie, zu der mittlerweile fünf Kinder gehören, auf ein englisches Kriegsschiff retten. Philip ist damals 18 Monate alt. Bei ihren Verwandten, den englischen Royals sind sie nicht willkommen. Sie lassen sich in Paris nieder und die gehörlose Alice versucht nach Deutsch, Englisch und Griechisch, sich die französische Sprache anzueignen, indem sie von den Lippen abliest. Die Familie ist ohne Vermögen, Alice kümmert sich um die Kinder und verkauft in einem Laden Stickereien und Bilder, um die Almosen, welche die Verwandtschaft ihr schickt, aufzubessern.

Als Neunjähriger kommt Philip zu seiner Grossmutter Victoria in den englischen Kensington Palast. Die deutschstämmige Mutter Alice dagegen wird ins Kreuzlinger Sanatorium eingeliefert. Dort findet sie heraus, dass ihre eigene Mutter mit dem Einverständnis des Ehemannes hinter der Einweisung stecken. Der Ehemann lebt mittlerweile mit seiner Geliebten in Cannes. Nach ihrer Entlassung Ende 1932 will sie nicht zum Adel zurück, sondern führt ein Nomadenleben zwischen Hotels, Kurhäusern und Pensionen in ganz Europa.

Philip kommt mit zwölf ins Internat Schloss Salem, doch nach zwei Semestern muss der jüdische Schulleiter fliehen. Er eröffnet in Schottland ein Internat, wohin ihm Philip folgt.

Prinz Philip, der treue Gefährte der Queen, ist im Alter von 99 Jahren gestorben.
16 Bilder
Prinzessin Elisabeth mit ihrem Ehemann Prinz Philip 1951.
Der rüstige Marineoffizier und die stets elegant gekleidete Queen - ein Paar das gut in die traditionelle Welt der Royals passte.
Elizabeth II. und ihr Mann Prinz Philip im Juni 2016: Eine Liebe, die ein Leben lang hielt.
Prinz Philip nahm seine Aufgaben im Königreich bis ins hohe Alter wahr.
Prinz Philipp war ein Mann mit Humor und ein Mann mit einer hohen Loyalität.
Schon im Alter von 13 Jahren verliebte sich die Queen in ihren Philip.
Stets treu an der Seite der Queen, hielt sich Prinz Philip dennoch meistens im Hintergrund: Hier zu Besuch beim damaligen Amerikanischen Präsidenten George H.W. Bush und First Lady Barbara Bush.
Queen Elisabeth II. und Prinz Philip an einer der vielen traditionellen Paraden.
Die Royal Family auf dem Balkon des Buckingham Palace - Prinz Philip selbst war vierfacher Vater.
Nach der Hochzeit 1947 winken die beiden vom Balkon des Buckingham Palace.
Das Paar 1953. Das Geheimnis einer langen Ehe beschrieb Prinz Philip mit den Worten «unterschiedliche Interessen».
Während Elizabeth sich vor allem für ihre Pferde und Hunde interessierte, spielte der Prinzgemahl Hockey und Cricket und versuchte sich als Maler und Photograph.
Queen Elizabeth II. und Prinz Philip an einem Pferderennen - gelobt wurde er oft für «seine wunderbar zurückhaltende Eleganz». (Archivbild)
Prinz Philip verkörperte den englischen Gentleman.
Von der Nation wurde er trotz Kritik vor allem am Ende seines Lebens geliebt und respektiert.

Prinz Philip, der treue Gefährte der Queen, ist im Alter von 99 Jahren gestorben.

KEYSTONE/AP Pool The Sun/ARTHUR EDWARDS

Trägodie wie ein Weckruf

1937 stürzt eine von Philips vier Schwestern mit Ehemann und zwei Buben mit dem Flugzeug über Belgien ab. Zum Zeitpunkt ihres Todes ist sie hochschwanger.

Auf Alice habe die Tragödie wie ein Weckruf gewirkt, heisst es in der «NZZ am Sonntag». Mit 53 zieht sie zurück nach Athen. Als die deutsche Wehrmacht die Stadt besetzt, organisiert sie eine der grössten Suppenküchen für Kinder, kümmert sich um Waisenhäuser und beschafft dank ihrer Kontakte Lebensmittel aus Schweden und England. 24 Jahre nach ihrem Tod wird Prinzessin Alice in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ausgezeichnet als «Gerechte unter den Völkern». Sie hatte während der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht 14 Monate eine jüdische Familie in Athen bei sich im Estrich versteckt.

Dass sie keineswegs die Geistesgestörte war, als die ihre Familie sie abstempelte, zeigt auch ein Brief von ihr aus dem Jahre 1937. Er fand sich im Nachlass ihres Bruders Louis Mountbatten. Darin beschreibt sie das Ideal eines europäischen Staatenverbandes mit einer gemeinsamen Währung und ohne Zollschranken. In der NZZ am Sonntag heisst es wörtlich: «Alice, die angeblich Geistesgestörte, hatte die EU vorausgesehen, 56 Jahre vor ihrer Gründung.»