ST.GALLEN. IHK-Stiftung, Textilunternehmer, Kanton und Stadt St. Gallen wollen das Textilmuseum mit Bibliothek und Sammlung einem neugegründeten Verein anvertrauen. Dazu sollen mehr staatliche und «textile» Gelder fliessen.
St. Gallen. Nicht nur modebeflissene Touristen bewundern in diesen Tagen im «Palazzo rosso» an der Vadianstrasse die reichhaltige St. Galler Geschichte der Spitzen – wahrlich eine weltweit vorzeigbare «Spitzengeschichte». Doch so prächtig die Ausstellung der Hand- und Maschinenstickereien aus fünf Jahrhunderten, so ungewiss war zuletzt die Zukunft des Textilmuseums und seiner Angebote (Textilsammlung, Fachbibliothek, Sonderausstellungen).
Nachdem der Kanton seine «Vision» eines international ausstrahlenden schweizerischen Textilmuseums aufgrund seiner angespannten Finanzlage erst zurückstellte und schliesslich aufgab, wies die Hauptträgerin, die Stiftung der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell (IHK), auf ihre schrumpfenden Vermögenserträge hin: Es sei der Stiftung demnach nicht mehr möglich, das Museum im bisherigen Umfang (jährlich 400 000 Franken) zu unterstützen.
Als die IHK als Hausbesitzerin im Hinblick auf eine neue Finanzierung im Frühling 2010 laut darüber nachdachte, ihre Büros vom Klosterviertel ins Museumsgebäude zu zügeln und dabei die Textilbibliothek teilweise aufzuheben (respektive auszulagern), zeigten sich Textil- und Bibliotheksfachleute konsterniert. Hinter den Kulissen begannen namhafte Textilunternehmer für eine eigene Lösung zu weibeln. Unter Einbezug der IHK-Stiftung und von Kanton und Stadt, die nach ihrer Meinung eine historische Chance verpatzt hatten, bemühten sie sich darum, den bisherigen Museumsbetrieb inklusive betreuter Textilbibliothek und -sammlung langfristig zu sichern.
«Das ist nun auf gutem Weg», freut sich Max R. Hungerbühler, St. Galler Unternehmer (Bischoff Textil) und bis im Juni Präsident des Textilverbandes Schweiz. Der Lösungsvorschlag sieht nebst höheren Beiträgen von Stadt und Kanton eine stärkere Verpflichtung der «Textiler» vor – zum einen via den neugegründeten Verein «Textilmuseum St. Gallen», der zum Träger und Betreiber des Museums wird und damit die finanzielle und organisatorische Verantwortung übernimmt; zum andern via Verband, der seinen Beitrag von bisher 40 000 auf 140 000 Franken erhöht.
Als Gründer und erste Vorstandsmitglieder des Vereins zeichnen nebst Hungerbühler seine Unternehmerkollegen Christof Leemann (IHK-Stiftungspräsident) und Tobias Forster sowie Hanspeter Schmid (Direktor des Textilmuseums, noch bis Ende 2011). Das Ziel des demnächst um Mitglieder und weitere Vorstandsmitglieder werbenden Trägervereins ist es, den Status quo aufrechtzuerhalten und – wie erfolgreich gestartet – alle drei Jahre weit ausstrahlende Sonderausstellungen (wie «Secrets» oder «StGall») zu veranstalten. Zwar sei die Idee eines schweizerischen Textilmuseums «leider für den Moment gestorben, aber nicht völlig verbaut», sagt Hungerbühler.
«Eigentlich müsste das Schaustück unserer Textilgeschichte vielen St. Gallern eine Vereinsmitgliedschaft wert sein», hofft der langjährige Textilverbandspräsident. Und es braucht nach dem grundsätzlichen Einverständnis der Direktoren und Regierungen den Zuspruch ihrer Gremien und Parlamente. Entsprechend vorsichtig reagiert die Leiterin des Amts für Kultur, Katrin Meier: Man wolle die Öffentlichkeit im September informieren, die Vorlagen an die Parlamente von Kanton und Stadt seien im Spätherbst zu erwarten. Es geht – unbestätigterweise – um jährliche Beiträge von je 280 000 Franken statt der bisher je 45 000 Franken; darin eingeschlossen allerdings die Finanzierung der Sonderausstellungen, die beim Kanton (Lotteriefonds) jeweils mit bis zu 450 000 Franken zu Buche schlug.
Ausserdem schlagen Kantons- und Stadtregierung je einen einmaligen Beitrag von 100 000 Franken ans Startkapital des Vereins vor – offensichtlich im Bewusstsein des bedeutenden textilen Erbes und Schaffens in der Region.
Die IHK-Stiftung plant das Vereinsvermögen – ebenfalls einmalig – mit 200 000 Franken zu unterstützen und künftige jährliche Beiträge von 200 000 Franken (heute 400 000), nebst der unentgeltlichen Dauerleihgabe von Sammlungs- und Bibliotheksbeständen. Die IHK ihrerseits stellt dem Verein den «Palazzo» zum Selbstkostenpreis (Versicherungsprämien) zur Verfügung. IHK-Direktor Kurt Weigelt will die skizzierten Vorschläge nicht kommentieren; Ende August fasse der Vorstand seinen Beschluss.