Kommentar
Müssen die Kantischüler Klima-Asketen sein?

Nein, man muss kein perfekter Mensch sein, um sich für ein besseres Klima einsetzen zu dürfen. Dennoch könnten die Maturanden zum Schulabschluss Reife beweisen.

Noemi Heule
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Noemi Heule, Redaktorin Ressort Ostschweiz

Noemi Heule, Redaktorin Ressort Ostschweiz

800 Personen haben gestern in St. Gallen für ein Umdenken in der Klimapolitik demonstriert, allen voran die Kanti­schülerinnen und -schüler. Sie haben den Streik vom Schulzimmer auf die Strasse getragen. Dass einige von ihnen nach der Matura nach Mallorca jetten, darf zwar ihre Forderungen nicht untergraben. Aber die Glaubwürdigkeit leidet.

Der Vorwurf der Heuchelei ist schnell zur Hand. Die Schüler fordern höhere Flugticketpreise und setzen sich selbst in den Billigflieger. Es bleibt nicht der einzige: Das T-Shirt bei Zara, das Schuhwerk über Zalando gekauft und den Streik organisieren sie mit dem umweltschädlichen Smartphone. Doch machen es sich die Kritiker zu einfach: Den Fehler bei den Jugendlichen zu suchen, statt die eigenen einzugestehen, ist genauso scheinheilig. Kanti­schüler sind keine Klima-Asketen.

Und doch: Die Demonstranten nehmen das Kollektiv in die Verantwortung, nicht aber sich selbst. Die Multi-Optionsjugend fordert von Politik und Gesellschaft, ihnen und ihrem Konsumverhalten gefälligst Grenzen zu setzen. Gerade die Maturareise wäre aber eine ideale Möglichkeit, selbst Reife zu beweisen. Zu zeigen, dass man sich nicht nur an Vorgaben hält, die von Lehrern, Eltern oder Politik diktiert werden. Wer zum Abschluss der Schulzeit den Klassengeist stärken will, braucht nicht nach Teneriffa zu fliegen, das geht auch im Tessin – so wie es einige übrigens bereits vorbildlich vormachen.