Die Kirchen müssen sich auch künftig im Kanton St.Gallen politisch nicht neutral verhalten. Eine Motion, die Leitplanken bei Abstimmungen für Religionsgemeinschaften forderte, ist im Kantonsparlament gescheitert.
Dürfen Kirchen bei Abstimmungen alles? Nein, sagen drei bürgerliche St.Galler Kantonsräte und forderten eine Gesetzesanpassung. Auslöser für ihren Vorstoss war die Konzernverantwortungsinitiative. Mehr als ein halbes Jahr ist es her, seit das Anliegen am Ständemehr gescheitert ist. Doch das damalige, nicht alltägliche Engagement der Kirchen hallt bis heute nach und beschäftigte am Dienstag das Kantonsparlament. Nicht zum ersten Mal. Aber vorläufig nun wohl zum letzten Mal.
Es gehe ihnen keineswegs darum, den Landeskirchen einen Maulkorb zu verpassen, wie ihnen immer wieder unterstellt werde, wehrten sich die drei Motionäre am Dienstag in der Parlamentsdebatte. Es gehe vielmehr darum, den Religionsgemeinschaften gewisse Leitplanken bei politischen Kampagnen zu setzen. Sie nähmen einen «privilegierten Sonderstatus» ein, der auch Verhaltenspflichten beinhalte. Und: Politische Behörden seien im Vorfeld von Abstimmungen zu korrekter und zurückhaltender Information verpflichtet.
«Für kirchliche Behörden gelten bis heute keine solchen Regeln.»
Dort, wo Kirchen unmittelbar betroffen seien, sollten sie sich auch äussern, sagte Walter Locher (FDP), der gemeinsam mit Michael Götte (SVP) und Christoph Bärlocher (CVP) die Motion eingereicht hatte.
«Aber es soll nicht zur Gewohnheit werden, dass sie sich zu jeder Abstimmungsvorlage äussern.»
Die Regierung hatte schon früher festgehalten: Es sei nicht Aufgabe des Kantons festzulegen, wann den Religionsgemeinschaften bei Abstimmungen eine besondere Betroffenheit zugestanden werde – und wann nicht. So überraschte auch nicht, dass sie vom Anliegen der Motionäre wenig hielt. Gleich beurteilte es eine knappe Mehrheit des Parlaments. Zehn Stimmen gaben den Ausschlag – und die Motion war vom Tisch.
Mehrere Gegner der Motion betonten in der Debatte, die Botschaft sei bei den Kirchen angekommen, das Thema werde innerkirchlich aufgearbeitet. Die Religionsgemeinschaften hätten aus ihrem engagierten, teils umstrittenen Abstimmungskampf für die Konzernverantwortungsinitiative gelernt. Sie jetzt mit einem Maulkorb abzustrafen, sei der falsche Weg. So sagte etwa CVP-Kantonsrat Thomas Warzinek:
«Wir wollen den Kirchen nicht vorschreiben, was sie zu predigen haben.»
Das Argument der Motionäre, ihr Ansinnen sei zum Schutz der Kirchen, sei «heuchlerisch», sagte Maria Pappa, SP-Kantonsrätin und St.Galler Stadtpräsidentin. Und ihre Stadtratskollegin und GLP-Kantonsrätin Sonja Lüthi fragte denn auch:
«Warum soll es Kirchen geben, wenn sie sich nicht für ihre Anliegen einsetzen dürfen?»
Auch wenn die Motion nun im Papierkorb gelandet ist: Ob die Debatte damit beendet ist, ist offen. Das Verhältnis von Kirche und Staat taucht immer mal wieder auf der politischen Agenda auf.