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Arbon, Kreuzlingen, Weinfelden
Kritik, Anfeindungen, Abwahl: Peter Gubser hat politisiert und – zusammen mit Betroffenen – vieles erreicht.
Keiner hat sich so lange wie Sie in der Politik bewegt und in Arbon Spuren hinterlassen. 1979 waren Sie in den Gemeinderat gewählt worden.
Peter Gubser: Stimmt. Vor vierzig Jahren! Ich habe mich tatsächlich eine lange Zeit für Arbon politisch engagiert. Acht Jahre gehörte ich dem Gemeinderat an, anschliessend ebenso lange dem Ortsverwaltungsrat.
Was hatte damals die Stadt denn so bewegt?
Die grossen Veränderungen in der Feuerwehr, etwa mit dem Bau des neuen Depots an der Brühlstrasse, der Anschaffung der ersten Autodrehleiter und der Überführung der Saurer-Betriebsfeuer, die im Unternehmen einen hohen Stellenwert genossen hatte, in die Stadtfeuerwehr. Da brauchte es Fingerspitzengefühl. Ich habe mich finanzpolitisch eingebracht.
Einen hohen Stellenwert hatte für mich immer die Verkehrssicherheit. Ich habe mich schon als Präsident der Verkehrskommission im Ortsverwaltungsrat für vernünftige Verkehrsberuhigungsmassnahmen und den Langsamverkehr eingesetzt.
Diese Anliegen vertraten Sie auch nach der Rückkehr in die lokale Politik akzentuiert. Zuerst im Parlament, dann vier Jahre im Stadtrat.
Ich habe entsprechende Massnahmen vorangetrieben. Es ist unter anderem gelungen, die Tempo-30-Zonen zu erweitern.
Von der hohen Kantons- auf die überschaubare Ortsebene: Was hat Sie bewogen, wieder vor Ort politisch aktiv zu werden?
Hier kann man gestalterisch unmittelbar mehr bewirken. Auch indem man die Bedürfnisse der Bevölkerung aufnimmt und im Dialog arbeitet.
Man kann es aber nicht allen recht machen im Ressort Bau, das Sie geführt haben. Sehen Sie da einen Grund für Ihre Abwahl?
Die Kehrseite gibt es natürlich auch: Leute, die nicht einverstanden sind mit Verkehrsmassnahmen. Diese werden zum Teil wahnsinnig emotional behandelt. Das geht so weit, dass Kritik entgegenschwappt und man Anfeindungen ausgesetzt ist.
Können Sie das an Beispielen benennen?
Da ist der Wunsch von Anwohnern im Städtli, einen Veloparkplatz zu schaffen. Dafür haben wir einen Blaue-Zone-Parkplatz umfunktioniert. Und prompt kam der Aufschrei.
Oder die Pfosten, die in der Friedenstrasse Anstoss erregten. Markierungen, die zur Verkehrsberuhigung auf der Fahrbahn angebracht wurden, haben Autofahrer ignoriert, wenn die Parkplätze nicht belegt waren. Es werde durchgefräst, reklamierten Anwohner. Die Pfosten, die wir angebracht haben, haben uns dann auch Kritik eingetragen. Pfosten sind die kostengünstigsten Massnahmen.
Fünf- bis zehnmal teurer sind Bäume, wie sie von meinem Vorgänger etwa an der Hochkreuzstrasse gepflanzt wurden. Hinzu kommt der Unterhalt. Das ist für eine Stadt mit Finanzproblemen Luxus.
Im Stadtbild sah man Sie als Pragmatiker oft vor Ort in einer Runde diskutieren und Fragen erörtern.
Bei Baufragen speziell habe ich nicht nur mit den Kommissionen, auch mit Betroffenen und Parteien die Situation immer vor Ort angeschaut statt nur auf den Plänen. Vieles ist dann einfach logisch und nicht mehr strittig. Auch Flur- und Nachbarschaftsstreitigkeiten konnten so am besten bereinigt werden. Es braucht zwar Zeit, ist langfristig gesehen aber immer noch der kürzere Weg als ein Rekursfall.
So habe ich versucht, Kompromisse zu schmieden, etwa beim Schutzplan. Ich suchte das offene Gespräch. Viele Leute meldeten sich bei mir. Man hat wahrgenommen, dass ich gewissermassen «auf der Gasse» bin. Die vielfältigen Kontakte mit ganz verschiedenen Personen habe ich geschätzt und waren mir wichtig – über Parteigrenzen hinweg. Ich hatte keine Scheuklappen.
Inwiefern konnten Sie Ihre Erfahrungen als Kantonsrat in die Waagschale werfen?
Man hat sich da ein Netzwerk aufgebaut, von dem man profitierte. Das hat sich für die Stadt zum Beispiel bei der Restaurierung der Schlossmauer ausbezahlt, wofür der Kanton fast die Hälfte der Kosten übernimmt. Hilfreich war es auch bei der Schadensregulierung der Sporthalle. Kontakte sind nützlich, um spontane Projekte wie das Kunstrasenfussballfeld oder die Street-Workout-Anlage kostengünstig zu realisieren.
Das arbeitsintensive Ressort Bau ist auf ein 25-Prozent-Pensum ausgelegt. Hand aufs Herz: Ist es damit bewältigbar?
Bei mir kamen meist über dreissig Stunden in der Woche zusammen. Vom Aufwand her war es fast ein 80-Prozent-Job. Aber als Frühpensionierter habe ich mir das leisten können. Der neue Stadtrat hat das Ressort auf zwei Personen aufgeteilt. Das finde ich gut so. Im Übrigen wäre ich dafür, ein Stadtratsmandat auf 50 Prozent zu erhöhen, wie das in Frauenfeld und Kreuzlingen der Fall ist.
Wie nutzen Sie die neu gewonnene Zeit?
Als leidenschaftlicher Zeitungsleser habe ich jetzt mehr Zeit zu lesen. Dann widme ich mich sportlichen Aktivitäten: Schwimmen, Velofahren, Laufen und Kanufahren. Wir haben hier am Bodensee ein Paradies. Ich gehöre nicht zu den Pensionierten, die in der ganzen Weltgeschichte herumrösseln. Einzige Ausnahme sind Besuche bei Sohn und Enkel in Kalifornien. Dann geniesse ich das Plätzli auf der Dachterrasse im Sonnenhügel – bei jedem Wetter, auch mit Jacke und Pulli.
Wie haben Sie Ihre Abwahl nach einem gewissen Zeitabstand verkraftet?
In zwei oder vier Jahren wäre die Behördentätigkeit sowie zu Ende gegangen. Jetzt kam halt der Druck von aussen. Man muss sich einfach damit abfinden, dass man es nicht allen Leuten recht machen kann. Umgekehrt habe ich die Erfahrung gemacht, dass respektiert und anerkannt wird, wenn man eine gewisse Linie zeigt. Ich habe viel Anerkennung schon am Abend der Abwahl erfahren dürfen.
Rückblickend gefragt: War es richtig, vor vier Jahren Stadtpräsident Andreas Balg herauszufordern? Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit nach der Niederlage?
Ja, es war wichtig anzutreten. Es fehlte die Liebe zu Arbon. Nach einer ersten Abtastungshase war die Zusammenarbeit in grossen Teilen sehr gut gewesen.