Die Mitwirkenden sind samt und sonders wetterfest. Weder vom langen Winter noch vom nasskalten Frühling liessen sie sich unterkriegen. «Seit Anfang Mai proben wir ausschliesslich draussen», sagt Regisseurin Liliana Heimberg.
Die Mitwirkenden sind samt und sonders wetterfest. Weder vom langen Winter noch vom nasskalten Frühling liessen sie sich unterkriegen. «Seit Anfang Mai proben wir ausschliesslich draussen», sagt Regisseurin Liliana Heimberg. Bereits im Februar hätten sie ab und an draussen geprobt, präzisiert sie. Draussen, das ist in diesem Fall der Landsgemeindeplatz im Ausserrhodischen Hundwil.
«Ein eindrücklicher Platz», schwärmt Heimberg. Die Wahl-Zürcherin führt Regie beim Festspiel «Der dreizehnte Ort», mit welchem beide Appenzell ihr 500-Jahr-Jubiläum zum Beitritt der Eidgenossenschaft gemeinsam feiern. In zwei Wochen ist Premiere, eine lange Zeit der Vorbereitung liegt hinter Heimberg.
Ihre Arbeit begann im November 2011, sie führte zusammen mit dem Autor Paul Steinmann Interviews mit Menschen aus dem Appenzellerland. Der Auftrag der Festspielverantwortlichen hatte gelautet, eine aktuelle Form des Festspiels zu suchen. Ein klassisches Festspiel rühmt gewöhnlich die Tapferkeit von Helden und gewonnene Schlachten, sagt Heimberg. «Wir vom Regieteam hatten uns gesagt, wir möchten uns um die <kleinen Leute> kümmern, die auch Geschichte machen oder Geschichte aushalten müssen.» Die Interviews dienten – neben etlichen historischen Werken – als Grundlage für einen Bilderbogen, mit dem Autor Paul Steinmann den Lauf der Geschichte durch 500 Jahre Revue passieren lässt. «Es ist wichtig, dass wir zuhören», begründet Heimberg die Interviews, «es ist ihre Geschichte, nicht unsere.»
Die rund 180 Darstellerinnen und Darsteller zwischen 5 und 87, alles Laien aus beiden Appenzell, proben derzeit in jeder freien Minute. Heimberg ist begeistert vom Einsatz «ihrer» Schauspieler. Seit September 2012 fanden alle 14 Tage Proben statt, seit Februar jeden Abend von Dienstag bis Freitag sowie samstags den ganzen Tag. Im Februar bezog Heimberg eine Ferienwohnung in Hundwil, nach Zürich fährt sie von Sonntag bis Montag. «Die Familie muss im Moment sehr zurückstecken», sagt die 57-Jährige.
Ihr Lehrauftrag Theaterpädagogik an der Zürcher Hochschule der Künste ruht, nicht aber ihr Forschungsauftrag. Für ihr drittes Forschungsprojekt führt sie ein detailliertes Probentagebuch. Gemeinsam mit dem Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern und der Forschungsstelle Öffentlichkeit und Geschichte der Universität Zürich beleuchtet Liliana Heimberg die Festspielkultur in der Deutschschweiz, deren Ästhetik sowie das Festspiel als umstrittene Theaterform.
Ihr Weg zum Theater führte über Umwege. Im Berner Niedersimmental, wo sie aufwuchs, gab es vorwiegend Musik. «Ich kam über Singen und Tanz zur Schauspielerei», sagt Heimberg. Nach ihrer Lehrerausbildung bewarb sie sich am Opernstudio Zürich, unter lauter Anwärtern aus Amerika und aller Welt, die bereits grosse Studien abgeschlossen hatten, wurde sie ausgewählt. Doch das Singen allein füllte sie nicht aus. Sie bewarb sich an der Schauspielschule Zürich, «intuitiv habe ich mich für Theaterpädagogik entschieden, ohne genau zu wissen, was das eigentlich ist.»
Nach dem Studium war sie als freie Theaterpädagogin unterwegs in Deutschland und der Schweiz. Auch als sie ein Engagement am Zürcher Neumarkttheater antrat, war sie «nebenher» theaterpädagogisch tätig. Ihr erstes «Grossprojekt» war eine Freilicht-Inszenierung in Ballenberg, etliche weitere folgten. «Draussen Theater zu machen ist faszinierend», sagt sie. «Die Umgebung ist nicht biegbar, nicht formbar. Der fortwährende Dialog zwischen dem Gegebenen und dem, was wir darstellen, ist anregend.»
Auch abseits der Bühne ist Heimberg gerne draussen, im heimischen Garten oder beim Wandern. Zudem sei sie eine exzessive Kino- und Theatergängerin und lese viel. Doch ihren Neigungen abseits der Bühne wird Heimberg erst wieder nach der Hundwiler Premiere am 3. Juli frönen können. Die «heisse Phase» der Probenarbeit hat erst begonnen.
Julia Nehmiz