Im Budget 2023 des Kantons Thurgau sind 43,2 Millionen Franken aus der Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank vorgesehen. Da die SNB für 2022 aber wohl ein Defizit von weit über 100 Milliarden Franken ausweisen dürfte, droht 2023 das Ausbleiben dieser Millionen. Was nun? Die Regierung sieht darin noch kein akutes Problem, GP-Kantonsrätin Sandra Reinhart dagegen schon.
Die beiden Kantonsrätinnen Sandra Reinhart (GP, Amriswil) und Sonja Wiesmann Schätzle (SP, Wigoltingen) sind in Sorge um den Finanzhaushalt des Kantons und haben deshalb eine Einfache Anfrage an den Regierungsrat gerichtet. Darin schreiben sie: «Der Finanzplan zeigt, dass der Regierungsrat auch in den Jahren 2024 bis 2026 mit der Ausschüttung der SNB-Gelder rechnet, und zwar mit 43,2 Millionen Franken jährlich.» Sollten diese Zahlungen längerfristig ausbleiben, habe das insbesondere zusammen mit den bereits prognostizierten Finanzfehlbeträgen, der beschlossenen Senkung des Steuerfusses auf 109 Prozent und der bevorstehenden Auszahlung der TKB-Millionen «grosse Auswirkungen auf die Staatskasse und insbesondere auf die Liquidität». Da reichten auch die 150 Millionen Franken nicht lange, die für den Fall des Ausbleibens der SNB-Millionen angelegt worden seien.
In ihrem Vorstoss wollen sie vom Regierungsrat wissen, wie dieser auf die angespannte finanzielle Situation zu reagieren gedenkt.
In seiner Antwort bestätigt der Regierungsrat, dass auch er davon ausgeht, dass für das Jahr 2022 keine Ausschüttung der SNB erfolgen wird. Mit den SNB-Schwankungsreserven von 150 Millionen Franken könnten die im Budget 2023 und die im Finanzplan 2024 bis 2026 eingestellten Dividenden der SNB für die Jahre 2024 und 2025 jedoch kompensiert werden. Der Regierungsrat schränkt aber ein: «Für das Jahr 2026 stünden aus den SNB-Schwankungsreserven nur noch 20,4 Millionen Franken zur Verfügung. Eine volle Kompensation der gegenwärtig vorgesehenen SNB-Gewinnausschüttung von 43,2 Mio. Franken wäre also nicht mehr möglich.» Für die Erstellung des Budgets 2024 sowie für den Finanzplan 2025 bis 2027 werde die Situation im 3. Quartal 2023 wie in jedem Budgetprozess neu beurteilt.
«Die budgetierten, negativen Ergebnisse in den nächsten Jahren belasten den Selbstfinanzierungsgrad», bestätigt der Regierungsrat die Befürchtungen der beiden Kantonsrätinnen Sandra Reinhart und Sonja Wiesmann Schätzle. Aufgrund der äusserst guten Ergebnisse der vergangenen Jahre beträgt der über acht Jahre durchschnittliche Selbstfinanzierungsgrad per 31. Dezember 2021 jedoch 229 Prozent. «Das ist der höchste durchschnittliche Selbstfinanzierungsgrad, den der Kanton Thurgau jemals aufgewiesen hat.» Ob der durchschnittliche Selbstfinanzierungsgrad in dem Masse abnehmen werde, wie im Finanzplan 2024 bis 2026 stipuliert, werde sich ab dem Rechnungsabschluss 2022 zeigen. «Der Gesetzgeber hat mit dem Haushaltsgleichgewicht, das bewusst über acht Jahre beurteilt wird, exakt dem Umstand Rechnung getragen, dass schlechte Ergebnisse relativiert und konjunkturelle Abschwünge aufgefangen werden können.» Den gegenwärtigen und für das kommende Jahr abschätzbaren durchschnittlichen Selbstfinanzierungsgrad erachte der Regierungsrat deshalb als vertretbar. «Sollten über mehrere Jahre keine Gewinnausschüttungen der SNB erfolgen, steigt das Risiko, die Vorgabe des Gesetzes über den Finanzhaushalt des Staates nach einem über einen Zeitraum von acht Jahren ausgeglichenen Ergebnis der Gesamtrechnung zu verletzen. Dann wären entsprechende Massnahmen einzuleiten.»
«Die Steuerfusssenkung per Anfang 2022 ist eine der Massnahmen, die zur eingetrübten Finanzperspektive des Kantons beitragen», bestätigt der Regierungsrat. Es sei deshalb wichtig, dass die politischen Entscheide künftig noch mehr in einer finanzpolitischen Gesamtsicht getroffen werden, um eine Steuerfusserhöhung zu vermeiden. «Jedenfalls kann der abschätzbare Steuerertrag 2023 über alle Steuerarten nur schon den Ausfall der Dividenden der SNB nicht kompensieren. Auch die prognostizierte Konjunkturverlangsamung, die anhaltende Inflation, weiterhin bestehende Lieferkettenengpässe und die Energiekrise können zu einem Rückgang der Steuererträge führen, insbesondere der Einkommens- und Gewinnsteuererträge.» Eine Erhöhung des Steuerfusses allerdings erachtet der Regierungsrat aber als falsches Zeichen in einer sich verschlechternden Konjunkturlage. Im Grossen Rat wurde die von der grünen Partei beantragte Steuerfusserhöhung um 4 Prozentpunkte klar abgelehnt.
Mit der Antwort des Regierungsrats ist Kantonsrätin Sandra Reinhart unzufrieden, wie sie auf Anfrage erklärt. «Mir fehlen die klaren Aussagen.» Im Finanzplan erst 2024 eine Neubeurteilung vorzunehmen, gehe vom Prinzip Hoffnung aus. «Das geht nicht.» Der Kanton Thurgau sei abhängig von den SNB-Ausschüttungen und vom nationalen Finanzausgleich (NFA). Es gehe nicht, parallel Geld von anderen zu beziehen und einen so tiefen Steuerfuss zu haben.