Pferde, Rinder, Hunde, Schafe, Hühner und Ziegen: Bei allen Tierarten missachtete Ulrich K. gemäss Anklage die Tierhaltevorschriften. Regierungsrat Schönholzer und seine Frau sowie Kantonstierarzt Witzig soll er mit anonymen Briefen obszönen Inhalts in ihrer Ehre verletzt haben.
Wegen einer schweren Verletzung am rechten Hinterbein konnte die Freiberger Stute Lady nur auf drei Beinen stehen. Im Oktober 2014 verbrachte sie Ulrich K. über eine Rampe in einen Transporter. Dabei traf er keine besonderen Vorkehrungen, um sie möglichst schonend zu verladen. Er fuhr sie auf einen Hof in Kesswil, wo sie wieder die Rampe hinab steigen musste. Als er sie wenig später wieder holte, hatten ihr ein Tierarzt und eine Pferdesachverständige starke Schmerzmittel verabreicht. Dennoch belastete Lady das verletzte Bein nicht freiwillig.
Beim Führen zeigte sie eine hochgradige Lahmheit. Am verletzten Bein waren die Muskeln geschwunden. Die Stute war deutlich abgemagert und hatte an verschiedenen Stellen des Körpers Liegeschwielen. An der Übergangsstelle zwischen Huf und rechtem Hinterbein schwärte eine alte Wunde.
Ulrich K. kümmerte sich nicht darum. Beim Rücktransport nahm er keine Rücksicht auf den Zustand der Stute. Dadurch musste sie erneut starke Schmerzen leiden. Am Tag danach schoss er ihr mit einem Bolzenschussgerät in die Stirn und ins Genick. Lady sackte zusammen. Ulrich K. unterliess es, das betäubte Tier rasch möglichst mittels Halsschnitt entbluten zu lassen. Der zweite Schuss ins Genick war auch vorschriftswidrig, da ein Stirnschuss für die Betäubung ausgereicht hätte.
Das Leiden und das Ende der Freiberger Stute Lady schildert Staatsanwalt Urs Zellweger in der Anklageschrift gegen den 54-jährigen Landwirt Ulrich K., der im März in Arbon vor Gericht steht. Das Bezirksgericht hat am Montag die Anklageschrift veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft beantragt, wie schon bekannt, eine Freiheitsstrafe von 6,5 Jahren. Sie wirft dem Angeklagten vor, er habe «Tiere misshandelt, vernachlässigt, sie unnötig überanstrengt oder deren Würde in anderer Weise missachtet». Nebst Pferden sollen auch Rinder, Hunde, Hühner, Schafe und Ziegen seinetwegen gelitten haben.
Aufgelistet werden Vorgänge nach dem 24. April 2013. Ein zeitlicher Schwerpunkt liegt auf dem 7. August 2017 und unmittelbar vorher – an diesem Tag räumten die Behörden den Hof und dokumentierten, was sie sahen. Beschlagnahmt wurden 93 Pferde; die Anklage zählt auch ein Maultier dazu. Bei keinem hatte sich Ulrich K. um die Hufpflege gekümmert. Rund 31 Pferde konnten deswegen nur eingeschränkt gehen.
Ulrich K. hielt Pferde angebunden, sodass sie sich nicht mehr artgerecht bewegen konnten. Laut Anklage fütterte er sie zu wenig, sodass am 7. August 2017 zehn Stuten mit Fohlen bis auf die Knochen abgemagert und ohne Muskulatur waren. Zu wenig Einstreu lag herum und dieses war verschmutzt und staubig. Futterreste faulten und gärten in den Krippen. Auch Holzstücke und Verpackungsrückstände aus Plastik fanden sich darin.
Irgendwo lag ein vollständiges Skelett eines drei- bis vierjährigen Pferds im Dreck. Ulrich K. bot den Pferden verschimmeltes Brot an, das er auf den Boden legte. Er gab ihnen zu wenig zu trinken und sorgte nicht für ausreichend Auslauf. Er arbeitete nicht mit ihnen, sodass sie nicht an menschliche Führung gewöhnt waren. Bei der Hofräumung und der anschliessenden Pflege führte dies zu gefährlichen Situationen.
Nicht viel besser ging es den andern Tieren wie den 47 Rindern und Kühen, die am 7. August 2017 auf dem Hof in Hefenhofen angetroffen wurden. Gemäss Tierverkehrsdatenbank hätten es 73 sein müssen. Ulrich K. hatte es unterlassen, die Abgänge korrekt zu erfassen.
Obwohl sie das Veterinäramt Thurgau am 7. August 2017 beschlagnahmt hatte, liess sich Ulrich K. einige seiner Pferde von einer Davoser Alp bringen. Eine 38-jährige Mitangeklagte fuhr für ihn nach Davos. Als sie am 15. September 2017 sechs Pferde abtransportieren wollte, hinderten sie eine Mitarbeiterin des Bündner Veterinäramts und die Kantonspolizei Graubünden daran.
Ulrich K. soll ausserdem Demonstranten gegen seine Tierhaltung durch ein riskantes Fahrmanöver gefährdet haben. Angeklagt ist er ferner der Ehrverletzung an Regierungsrat Walter Schönholzer und dessen Frau sowie an Kantonstierarzt Paul Witzig. Im Frühjahr 2019 schickte K. drei anonyme Briefe mit obszönen Zeichnungen an Schönholzer und dessen Frau. Darauf zu sehen waren der Regierungsrat und der Kantonstierarzt. Einen weiteren anonymen Brief dieser Art schickte er den Veterinärämtern mehrerer Kantone.
Vor der Einnahme Witzigs am 20. März 2019 überreichte K. seinem Anwalt Rainer Niedermann ein Blatt Papier mit einer Ergänzungsfrage an Witzig. Auf der Rückseite befand sich eine der obszönen Zeichnungen. Bei der Einvernahme las Niedermann die Frage tatsächlich ab dem Papier ab. Witzig, dessen Verteidiger und der anwesende Polizist betrachteten währenddessen die Zeichnung.