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Ostschweiz
Frauenfeld & Hinterthurgau
In der Zuckerfabrik Frauenfeld beginnt am 21. September die Verarbeitungskampagne. Derzeit läuft der Probedurchgang mit Wasser.
Manuel Nobel hört sich an wie ein Herzchirurg: «Wir schauen, ob alle Leitungen, Pumpen und Klappen funktionieren». Nobel ist Chef des 55-köpfigen Teams, das die Anlagen der Zuckerfabrikation in Frauenfeld wartet. Arbeitsreiche Wochen und Monate hat die Crew in den weitläufigen, hohen Hallen verbracht. Es ist seltsam ruhig, obwohl die Anlage gerade in Betrieb genommen wird. Nur da und dort zischt es leise.
Seit dem 9. September läuft die Zuckerfabrik im Probebetrieb. Das heisst die Anlage wird – zwar noch ohne Rüben – mit Wasser gefüllt, hochgefahren und in Betrieb genommen. «Wir prüfen, ob alles dicht ist, alle Anzeigen funktionieren und ob die Betriebstemperaturen stimmen», sagt Nobel.
Der Wiederinbetriebnahme der Anlage zum Start der neuen Kampagne am 21. September scheint nichts mehr im Weg zu stehen. Nobel strahlt Zuversicht aus. «Die Mitarbeiter bereiten sich jetzt auf ihren jährlichen Rollenwechsel vor: etwa vom Mechaniker zum Zentrifugenführer oder vom Elektriker zum Zuckerkocher.»
Ein besonderer Rhythmus prägt das Jahr in der Zuckerfabrik. Den drei Monaten mit Rübenverarbeitung und Zuckerherstellung im Herbst und Winter folgen vom Frühling bis Herbst sechs bis sieben Monate, in denen die Anlage instandgestellt wird. Nobel sagt:
«Bestandteile im Prozess der Zuckerproduktion sind zum Teil aggressive Stoffe, da geht immer etwas kaputt.»
Die Kunst bestehe darin, Anlageteile nicht zu früh zu wechseln, das wäre unwirtschaftlich, aber auch nicht zu spät, denn das kann die Kampagne empfindlich stören und verteuern. Ab 21. September muss die Fabrik während 90 bis 100 Tagen ohne Pause rund um die Uhr funktionieren. «Wir verarbeiten bis zu 430 Tonnen Rüben pro Stunde.» Ansonsten liesse sich die Rübenmenge nicht in dieser Zeit bewältigen.
Nobels Team hat in den vergangenen Wochen nicht nur repariert, sondern auch Neues gebaut und in Betrieb genommen: einen zentralen Leitstand für die Prozessüberwachung und einen neuen Wärmetauscher. Bisher habe es verschiedene dezentrale Leitstände für die einzelnen Produktionsschritte geben. Dank der zentralen Überwachung können die Verantwortlichen schneller und besser auf allfällige Probleme reagieren. «Es vereinfacht die Kommunikation», sagt Nobel.
Ein richtiggehender Meilenstein sei dann der Wärmetauscher. Hier erwärmt die Fabrik den zuckerhaltigen Saft, der im Produktionsprozess weiter vorne entsteht, ist mit der Abwärme des Wassers an nachgelagerter Stelle. 400'000 Liter Wasser rauschen pro Stunde durch den Tauscher. «So sparen wir Erdgas und können die Energieeffizienz der Zuckerproduktion weiter verbessern», sagt Nobel.
Allen Unkenrufen zum Trotz: Werkleiter Joachim Pfauntsch glaubt an die Zukunft der Zuckerfabrik Frauenfeld. «Hätte die Schweizer Zucker AG sonst eine bedeutende sechsstellige Summe in den neuen Leitstand und in einen Wärmetauscher investiert?», fragt er rhetorisch. Ein gutes Zeichen sei es auch, dass die Fabrik ihren beiden ausgelernten Polymechanikerlehrlingen eine Stelle habe anbieten können.
Mit der Verarbeitung von Zuckerrüben aus biologischem Anbau startet das Werk Frauenfeld am Samstag, 21. September, in die Verarbeitungsperiode 2019. Nächste Woche werden die ersten Biorüben aus Deutschland per Bahn angeliefert, damit beim Start genügend Rohstoff vorhanden ist. Vergangenes Jahr produzierte Frauenfeld eine Rekordmenge von 8500 Tonnen Biozucker.
In diesem Jahr wird es laut Pfauntsch noch mehr: «Wir gehen von einer sehr guten Ernte an Biorüben aus, sodass wir mit einem Rekord von annähernd 10'000 Tonnen Zucker rechnen.» Der grösste Teil des Rohstoffes stammt wie in den Vorjahren aus Deutschland, der Anteil an Schweizer Biorüben sei abermals höher als noch im Vorjahr.
Ab dem 5. Oktober beginnt dann in Frauenfeld die Verarbeitung der konventionellen Rüben. Pfauntsch rechnet derzeit mit einer Dauer der Kampagne von 93 Tagen bis zum 22. Dezember. Einschliesslich Biorüben will die Zuckerfabrik Frauenfeld bis dann rund 815'000 Tonnen Rüben verarbeitet haben (2018: 730'000 Tonnen), was zwischen 120'000 und 130'000 Tonnen Zucker ergeben soll. Pfauntsch:
«Schätzungen gehen von einer zehn Prozent höheren Erntemenge an Rüben aus als 2018. Und die derzeit sonnigen Tage bringen Zuckergehalt.»
Wichtig für Auslastung und Rentabilität der Anlage sind weiterhin konventionelle Rüben aus Norddeutschland. Nach der Biokampagne erreicht täglich ein Güterzug mit gegen 1300 Tonnen Rüben aus Deutschland das Frauenfelder Werk.