SANIERUNGSMASSNAHMEN
Steckborns verrückter Turm

Der schiefe Turm von Pisa ist ein Fotomagnet, ebenso der schiefe Turm von St.Moritz. Aber auch in Steckborn gibt es einen schiefen Turm. Ein Wahrzeichen soll der evangelische Kirchturm jedoch nicht werden. In der Botschaft zur kommenden Kirchgemeindeversammlung wird das geplante Minifrac-Verfahren zur Stabilisierung geschildert.

Janine Bollhalder
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Die evangelische Kirchgemeinde will ihren Turm sanieren.

Die evangelische Kirchgemeinde will ihren Turm sanieren.

Bild: Nana do Carmo (10.04.2002, Steckborn)

Der Turm der evangelischen Kirche Steckborn kippt fortlaufend in nordwestliche Richtung ab. Derzeit beträgt die Neigung circa ein Grad. Doch eine Fotoattraktion am Untersee soll der Turm nicht werden. Stablisierungsmassnahmen sind vorgesehen. Denn es drohen Schäden an der Kirche. Noch bis 18. März liegt ein Baugesuch der evangelischen Kirchgemeinde öffentlich auf.

Wie der Botschaft zur kommenden Kirchgemeindeversammlung vom 24. März zu entnehmen ist, wird die Bewegung des Turms seit 2006 mit Messungen festgehalten. Paul Widmer, Bauleiter der Kirchturmstabilisation, sagt: «Seit Beginn der Messungen hat sich die nordwestliche Ecke des Turms um 13 Millimeter gesenkt. Bei den anderen Ecken waren es vier bis neun Millimeter.» Dadurch habe sich die Aussichtsplattform in der Horizontalen in dieser Zeit um bis zu vier Zentimeter verschoben.

Es sei davon auszugehen, dass der Turm weiterhin abkippen wird.

Die Gefahr, dass der Turm umfällt, bestehe derzeit nicht. Dennoch bewahrt die Abkippung nicht vor Sorgen um das Bauwerk: «Mit fortschreitender Verkippung wächst die Gefahr von Schäden – wie Rissen – am Turm und an der anschliessenden Kirchenwand», sagt Widmer.

In der Botschaft wird der Ursache dieses Abkippens auf den Grund gegangen. Dem 28-seitigen Dokument kann entnommen werden, dass Bodensondierungen aus dem vergangenen Frühjahr gezeigt haben, dass der Kirchturm auf einem wenig tragfähigen sowie setzungsempfindlichen Baugrund stehe. Gemäss Archivunterlagen wurden beim Bau des Turms vor fast 190 Jahren Holzpfähle als Basis in den Boden gerammt. Diese wurden jedoch nicht mehr gefunden. Es sei davon auszugehen, dass diese verrottet sind und das Turmgewicht nicht mehr übernehmen können.

Die drei schiefen Türme

Der wohl bekannteste schiefe Turm steht in Italien. Die Neigung des schiefen Turms von Pisa beträgt rund vier Grad. Grund für das Abkippen, aber auch dafür, dass der Turm trotz seiner schrägen Lage nicht umfällt, ist der Boden. Dieser ist sehr weich und kann beispielsweise bei einem Erdbeben die Erschütterungen ausgleichen. Auch für den schiefen Turm von St.Moritz liegen die Gründe für das Abkippen unter der Erdoberfläche. Der Kirchturm steht auf einem Rutschgebiet, die Erde bewegt sich jährlich einen Zentimeter talabwärts. Der Turm hat eine Neigung von fünfeinhalb Grad und muss alle paar Jahre stabilisiert werden. Er wird aber niemals ganz senkrecht ausgerichtet – denn er soll ja ein Wahrzeichen bleiben. (jab)

Zement soll den Turm vor dem weiteren Abkippen bewahren

Die evangelische Kirchgemeinde will ihren Turm sanieren.

Die evangelische Kirchgemeinde will ihren Turm sanieren.

Bild: PD

Eine Projektgruppe prüfte im Laufe des vergangenen Jahres Massnahmen, um den Kirchturm zu stabilisieren. Das von der Spezialbaufirma Keller-MTS AG aus Rorschacherberg vorgeschlagene Minifrac-Verfahren wurde als beste Variante auserwählt. Bei diesem Verfahren wird eine Wasser-Zement-Mischung unterhalb des Kirchturmfundaments eingepresst. Der Zement füllt und verfestigt nach dem Trocknen die Poren im Baugrund.

Vor dem Injektionsverfahren müssen die Pflästerung im Bereich des Kirchturms sowie Elemente der Aussentreppe und Steinplatten im Eingangsbereich entfernt und später wieder eingebaut werden. Es wäre vorgesehen, die Sanierungsarbeiten ab Mitte September dieses Jahres auszuführen. Bauzeit: fünf bis sechs Wochen. Gemäss Paul Widmer seien die Stabilisierungsmassnahmen praktisch erschütterungsfrei und der Baulärm werde im üblichen Rahmen auftreten. Er sagt:

«In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich auf der Nordseite eine private Liegenschaft. Es ist vorgesehen, dort Rissprotokolle aufzunehmen.»

Die Kosten des Stabilisierungsprojektes belaufen sich gemäss Schätzung auf rund 360'000 Franken. Gemäss mündlicher Auskunft, werde sich die kantonale Denkmalpflege mit einem Beitrag von bis zu 10 Prozent beteiligen. Mit einem ähnlichen Beitrag von der Stadt Steckborn könne gerechnet werden.

Das Minifrac-Verfahren zur Stabilisation des Kirchturms Steckborn wurde von der kantonalen Denkmalpflege für gut befunden. Das Bundesamt für Kultur hat seine Zustimmung ebenfalls gegeben. Was noch aussteht, ist die Baubewilligung durch die Politische Gemeinde Steckborn. Paul Widmer hat keine Kenntnisse über bisher eingegangene Einsprachen.