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Der mutmassliche Badimörder will seine lebenslange Haft mit anschliessender Verwahrung abwehren. Sein Anwalt versucht, den zeitlichen Ablauf der Tat in Frage zu stellen. Die Staatsanwaltschaft spricht hingegen von einem von langer Hand geplanten Mord, wofür es eine lückenlose Indizienkette gebe.
Auf dem Mann mit den ergrauten schulterlangen Haaren lasten die Beweise schwer. In Fussfesseln tappt er am Donnerstag am Thurgauer Obergericht vor die Richter. Es gehe ihm nicht gut, er habe Angst davor, was heute passiere, sagt der nach Teneriffa ausgewanderte Deutsche. Seit viereinhalb Jahren sitzt er in Haft, aktuell in der Strafanstalt Pöschwies.
Spontan sei er an Pfingsten 2016 mit einem Mietauto von Barcelona für einen Abstecher nach Tägerwilen gefahren. Zuvor habe er seiner Geliebten aus Konstanz einen Heiratsantrag gestellt, den sie annahm. «Ich wollte sie sehen, hatte Lust», sagt er vor Obergericht. Die beiden trafen sich bei der Seebadi Tägerwilen, hatten Sex, gingen danach im nah gelegenen Restaurant Kuhorn ein Weizenbier trinken.
Für die Staatsanwaltschaft ist hingegen klar, dass jener Besuch 2016 alles andere als spontan war. Es sei zweifelsfrei erstellt, dass der heute 64-jährige extra für wenige Stunden aus Spanien in die Schweiz fuhr, um seine 20 Jahre jüngere Freundin zu ermorden. Spuren im Internet würden beweisen, dass die Tat skrupellos und aus finanzieller Gier lange geplant war, so der Staatsanwalt.
Brutal habe er sie mit einem Stein erschlagen, um ein finanziell unbeschwertes Leben führen zu können. Rund zehn Monate vor dem Tod der Frau schloss der Mann eine Risiko-Lebensversicherung auf sie ab. Eine halbe Million Euro sollte ihr Ableben ihm einbringen.
Am Pfingstsonntag 2016 entdeckte eine Spaziergängerin in der Seerheinbadi Tägerwilen die Leiche der Frau, eingehüllt in eine Decke. Die 39-jährige Konstanzerin wurde zu Tode geschlagen. Zeugen sagten später, sie hätten ein Mietauto mit spanischen Kennzeichen am Tatort gesehen. Sofort geriet der Beschuldigte ins Visier der Ermittler.
Am Flughafen Barcelona verhaftet die spanische Polizei den damals 59-jährigen Deutschen zwei Tage nach dem Leichenfund in Tägerwilen. Er war international zur Fahndung ausgeschrieben.
Anfänglich legte er ein Geständnis ab. Später widerrief er dieses. Seither streitet er die Tat ab.
Im Frühling 2019 verurteilte das Bezirksgericht Kreuzlingen den Mann in einem Indizienprozess zu einer lebenslangen Haft mit anschliessender Verwahrung. Ein forensisches Gutachten stellte beim Verurteilten eine «kaltblütige und manipulative Persönlichkeit» fest.
Der Beschuldigten legte Berufung. Sein Anwalt wies am Donnerstag vor dem Thurgauer Obergericht die Anklage wegen Mordes vollumfänglich zurück. Dabei streicht der Anwalt Verfahrensfehler hervor, lässt kein gutes Haar an der Arbeit der Staatsanwaltschaft und des Bezirksgerichts. Mit unerlaubten Suggestivfragen sei sein Mandant von Anfang an vorverurteilt geworden. Damit sei ein Geständnis, das später widerrufen wurde, konstruiert worden.
Die Tat könne der Mann schon zeitlich nicht begangen haben. Gemäss Zeugenaussagen verliess der Beschuldigte damals mit dem späteren Opfer um 22.10 Uhr das Tägerwiler Restaurant Kuhhorn. Bereits um 22.30 Uhr habe sich sein Handy auf der Rückfahrt nach Spanien in Hefenhausen eingeloggt, später in Glattbrugg und dann in Frankreich.
Somit habe der Beschuldigte um ca. 22.20 Uhr mit dem Auto beim Restaurant Kuhhorn losfahren müssen. Er hätte also gar keine Zeit gehabt, in den verbleibenden Minuten die Tat zu begehen und die Leiche schliesslich in die rund zweihundert Meter entfernte Seerheinbadi abzulegen.
Auch das finanzielle Motiv will der Anwalt aus dem Weg räumen. Sein Mandant habe genug Geld für ein bescheidenes Leben auf Teneriffa gehabt.
Die Untersuchungsbehörden hätten aber nie eine andere Täterschaft in Betracht gezogen. Es gelte die Unschuldsvermutung, weshalb sein Mandant freizusprechen sei. Der Anwalt spricht von «Willkür und krasser Verletzung des rechtlichen Gehörs».
Auf diese Argumente, die bereits vor Bezirksgericht hervorgebracht worden sind, ging der Staatsanwalt gar nicht mehr ein. Er sagte nur:
«Heute wurden in diesem Berufungsprozess keine neuen Beweise hervorgebracht.»
Für die Staatsanwaltschaft ist auch der zeitliche Ablauf der Tat durchaus stimmig. Handyantennen würden teilweise eine sehr grosse Fläche abdecken, wodurch ein Gerät sich auch mit einer beachtlichen Entfernung an einem Standort einloggen könne. An der damaligen Verhandlung vor Bezirksgericht wurde zudem deutlich, dass Zeugenaussagen mehrfach korrigiert worden sind. Für die Richter war damals klar: Der Beschuldigte hatte genug Zeit für die Tötung seiner Geliebten.
Der Staatsanwalt sagte vor Obergericht:
«Es gibt eine lückenlose Indizienkette, die für den Beschuldigten als Täter spricht.»
Die Berufungsklage sei abzuweisen, das erstinstanzliche Urteil einer lebenslangen Haft inklusive Verwahrung zu bestätigen.
An seinem Blitzbesuch an Pfingsten 2016 hatte der Beschuldigte auch Unterlagen für Vollmachten der späteren Toten dabei. «Wie kann ich das erklären?», fragte sich der Beschuldigte rhetorisch selber auf eine entsprechende Frage der Obergerichtspräsidentin. «Ich hatte das halt einfach dabei.» Sein anfängliches Geständnis habe er zum Schutz seines Sohnes abgelegt. Weil die DNA, die unter den Fingernägel der Toten gefunden wurden, neben ihm auch seinem Sohn zugeordnet werden könnten, wie die Staatsanwaltschaft in der Einvernahme angeblich erklärte.
Er habe seine Freundin bereits 16 Jahre lang gekannt. «Warum soll ich ihr etwas getan haben?», sagte der Beschuldigte vor Gericht. Auch ein forensischer Psychiater ist am Donnerstag befragt worden. Er attestierte dem Beschuldigten eine narzisstische, manipulative Persönlichkeit mit ausbeuterischen Tendenzen.
Das Urteil des Thurgauer Obergerichts steht noch aus.