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Wo Sammler zu Raubtieren werden: Der Bring- und Holtag der Stadt am Samstag war gut besucht. Vom Sammelsurium an Gegenständen blieb am Ende des Tages nur wenig übrig.
Hanspeter Christen stellt den goldenen Kleiderständer und das kleine Schaumstoffbrett auf den Holztisch vor der ID-Halle der Stadtkaserne. Zuhause wären die nur herumgestanden, sagt er. Wegschmeissen wäre aber doch schade gewesen. An diesem Samstagnachmittag findet hoffentlich jemand anders Gefallen daran.
Der 55-Jährige wird selbst in ein paar Stunden nochmals kommen, um das breite Sammelsurium an abgegebenen Gegenständen zu inspizieren. «Ich mag Flohmärkte und Brockenhäuser», sagt er. Vor fünf Jahren habe er am Bring- und Holtag einen kleinen Tierkäfig mitgenommen. Er halte die Veranstaltung für eine gute Sache. «Ich versuche selbst, Abfall so gut wie möglich fachgerecht zu entsorgen.»
Nebst Christens Kleiderständer und Schaumstoffbrett sammelt sich im Verlauf des Morgens allerlei Ware an, von Kinderwägen und Elektroartikel bis zu einem Laubbläser und Küchenutensilien. Auf den Tischen in der ID-Halle stapeln sich die Gegenstände, die von ihren Besitzern abgegeben wurden. Von Mitarbeitern des Werkhofs werden sie geprüft und nur angenommen, wenn sie noch funktionstüchtig sind. Am Ende des Tages wird etwa eine Tonne entsorgt. Das ist kein Vergleich zu dem Umfang, den die Entsorgung aller Gegenstände einnehmen würde. Genau dies sei das Ziel des Bring- und Holtags, sagt Werkhofleiter Markus Graf.
«Recyceln statt wegwerfen. Wir wollen vermeiden, dass der Abfall im Wald liegen bleibt.»
Meist handle es sich um Gegenstände, die von den Besitzern nur ungern weggeworfen werden. So biete man ihnen die Chance, den Besitz in andere Hände zu geben. Im Gegensatz zu gleichen Events in anderen Gemeinden kann die Ware am Nachmittag kostenlos mitgenommen werden.
Während einer Stunde erfolgt nachmittags die Ausgabe der Gegenstände. Die Türen der ID-Halle öffnen sich um Punkt 14 Uhr. Schon 15 Minuten zuvor stehen etwa hundert Besucher vor dem Eingang. Sie bringen Ikea-Taschen und Einkaufstüten mit, und man kann einige vor Ungeduld beinahe scharren hören. Die Halle ist verdunkelt, damit die Leute nicht sehen, was wo steht. «Vor ein paar Jahren hat ein Pärchen morgens genau beobachtet, was abgegeben wurde, um nachmittags schon zu wissen, wo die wertvollsten Gegenstände stehen», sagt ein Mitarbeiter des Werkhofs.
Ein älterer Besucher weiss bereits, wonach er Ausschau halten wird. «Ich bin auf der Suche nach Schallplatten für meine Sammlung.» Er sammle allgemein gerne.
«Wir sind eine Wegwerfgesellschaft. Wenn etwas nicht mehr funktioniert, landet es direkt im Abfall.»
Endlich werden die Türen geöffnet. Die vordersten Besucher rennen zu den Tischen und beginnen gleich, ihre Taschen zu füllen. Nun muss es schnell gehen. Für viele bleibt keine Zeit, sich die Gegenstände genauer anzusehen. Da wird eingepackt, was ins Auge fällt. Andere Sammler spazieren gemütlicher durch die Reihen und lassen sich von der Hektik nicht beirren. Das Szenario erinnert an den Ausverkauf vor Weihnachten oder an die Raubtierfütterung im Zoo. Fünf Minuten später sind die Holztische beinahe leer, und die Ikea-Taschen voll. Der Hunger scheint gestillt, und in der Halle wird es wieder ruhiger.