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Der Chefredaktor der «Thurgauer Zeitung» lässt den Kantonstag an der Fête des Vignerons nochmals Revue passieren. Grosse Illusionen zum Thurgauer Werbeeffekt soll man sich nicht machen. Stattdessen könne der Kanton etwas von den Waadtländern lernen. Die Waadt tue etwas für ihren Erfolg.
Es gibt Dinge, die man einmal im Leben gemacht haben sollte. Dazu gehört ein Besuch an der Fête des Vignerons, die nur etwa alle 20 Jahre stattfindet. In den letzten drei Wochen haben denn auch über 800'000 Personen das Fest besucht, darunter auch viele Thurgauerinnen und Thurgauer.
Besonders viele von ihnen waren am Montag dort, am offiziellen Thurgauer Tag. Ein Extrazug fuhr um 5 Uhr in Romanshorn los und brachte 900 Thurgauerinnen und Thurgauer nach Vevey. Viele waren zum «Jour des Thurgoviens» zusätzlich individuell angereist, so dass sich am Montag wohl gut und gerne 3000 Thurgauerinnen und Thurgauer in Vevey aufhielten.
Hunderte von ihnen trugen Strohhüte mit der Aufschrift «Thurgovie: Bien plus que des pommes.» Dass man mit diesem Slogan die gewünschte Botschaft vermitteln konnte, darf zwar bezweifelt werden. Denn wer ihn gelesen hat, behält wohl nur im Kopf, dass es im Thurgau Äpfel gibt.
Wären die Aargauer mit dem Slogan «Bien plus que des carottes» gekommen, oder die Basler mit «Bien plus que des Leckerlis» hätten man gedacht: «And so what?» Das ist aber auch nicht so schlimm.
Abgesehen davon war der Thurgauer Auftritt in Vevey nämlich eine runde Sache. Wer dabei war, erlebte einen unvergesslichen Tag, ein Fest von Thurgauern am Genfersee. Beim Festumzug, an dem zwölf Thurgauer Gruppen teilnahmen, säumten überraschend viele Besucher die Strasse.
Und anschliessend konnte Regierungspräsident Jakob Stark seine zweisprachige Grussbotschaft überbringen. Da unter den Zuhörern über 90 Prozent Thurgauer waren, ist seine Message als Ständeratskandidat sicher angekommen – ich kann Französisch, bin also wählbar.
Als vollen Erfolg taxieren auch die Thurgauer Winzer den Ausflug «in die Höhle des Löwen». Wer ins Lavaux reist und seinen Weisswein selbst mitbringt, beweist Mut und Selbstbewusstsein. Und es waren bei weitem nicht nur die Thurgauer, welche degustierten.
Gemäss einem Thurgauer Spitzenwinzer waren das Interesse und die Anerkennung auch bei den Waadtländern gross. Von den 1000 Flaschen «Tous ensemble» blieben jedenfalls nur gerade 240 übrig – und die muss man für die Gourmet-Wanderung von Thurgau Tourismus aufheben.
So weit, so gut. Ob der Aufwand, den der Kanton Thurgau für diesen Auftritt betrieben hat, auch die erhoffte Werbewirkung entfaltet, ist schwer zu bestimmen. Allzu grosse Illusionen sollte man sich darüber allerdings nicht machen.
Aber wie es so schön heisst: Mitmachen ist wichtiger als gewinnen. Wenn in der Schweiz jemand ein grandioses Winzerfest macht und alle anderen einlädt, so sollte man hingehen. Solche Anlässe halten die Schweiz zusammen.
Fazit: Der Thurgauer Tag in Vevey war schön, aber er hat dem Waadtland marketingmässig mehr gebracht als dem Thurgau. Vielleicht können wir ja von den Waadtländern etwas lernen.
Die Waadt ist eine erfolgreiche Wirtschafts- und Tourismusregion. Aber der Erfolg kommt nicht von ungefähr – die Waadtländer tun auch etwas dafür. Sie organisieren zum Beispiel Winzerfeste. Die Fête des Vignerons ist für die Genferseeregion eine gigantische Werbeveranstaltung. In 30 Tagen fahren 1000 Extrazüge und 1800 Züge mit Zusatzwagen ins Waadtland.
Vorbildlich ist auch, wie die Waadtländer ihre traumhaften Landschaften beschützen: Der Kanton Waadt hat zwei Naturparks (und ein drittes Gebiet im Status Kandidatur), zudem steht die Weinregion Lavaux bereits seit 1977 unter Naturschutz und ist mittlerweile Weltkulturerbe. In der gesamten Ostschweiz hat man bisher keinen einzigen Naturpark zustande gebracht.
Vor 3 Jahren hat die Thurgauer Stimmbevölkerung ein Expo-Projekt für die Bodenseeregion abgelehnt. Dieser Zug ist abgefahren, aber man könnte ja etwas anderes probieren.
Anstatt zu jammern, weil die Zugpassagiere nicht bei uns aussteigen, sondern bis Konstanz weiterfahren, könnten wir ja gelegentlich selber ein Fest organisieren. Der Thurgau sollte dazu eigentlich in der Lage sein. Es muss ja nicht gerade ein Anlass in der Dimension der Fête des Vignerons sein. Ein kleines Winzerfest am Bodensee würde schon genügen.