Die amerikanische Verfassung benennt als eines der wichtigsten Staatsziele, das «Streben nach Glück» zu ermöglichen. Der europäische Skeptiker Sigmund Freud dagegen bezweifelte, dass menschliches Glück in der Schöpfung vorgesehen sei.
Die amerikanische Verfassung benennt als eines der wichtigsten Staatsziele, das «Streben nach Glück» zu ermöglichen. Der europäische Skeptiker Sigmund Freud dagegen bezweifelte, dass menschliches Glück in der Schöpfung vorgesehen sei. Der kleine Himalaja-Staat Bhutan ergänzt das BIP, also das Bruttoinlandprodukt als Massstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes, durch ein so genanntes «Bruttoglücksprodukt».
Die Frage ist nur: Kann der oberste Massstab wirklich sein, wie glücklich wir sind? Das ist ein sehr hoher Anspruch. Glück ist bekanntlich eine launische Göttin, das heisst, ob sie ihr Füllhorn über uns ausschüttet, entscheidet sie und nicht wir. Und Glück ist ein flüchtiger Zustand, den wir zwar liebend gerne konservieren würden («Denn jede Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit.» – Friedrich Nietzsche), von dem wir aber auch wissen, dass er unmöglich haltbar ist. Es stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, einem solchen unerreichbaren Ziel wie dauerhaftem Glück hinterherzuhecheln.
Ein realistischeres Ziel ist Zufriedenheit. Dauerhafte Zufriedenheit ist nämlich durchaus denkbar und möglich. Und noch einen grossen Vorteil hat Zufriedenheit gegenüber Glück: Wir können sie in starkem Masse selber beeinflussen.
Zufriedenheit ist nämlich nichts anderes als der Abstand zwischen unseren Erwartungen und der Realität: Je geringer dieser Abstand, desto höher unsere Zufriedenheit. Die Realität nun können wir nur bedingt beeinflussen, bei der Wahl unseres Erwartungsniveaus sind wir dagegen frei. Wenn wir also unrealistisch hohe Erwartungen auf ein vernünftiges Mass reduzieren, steigt damit unsere Zufriedenheit von selbst.
Ein weiterer unsere Zufriedenheit fördernder Wert ist Dankbarkeit. Diese Dankbarkeit beruht auf einer tiefen Erkenntnis: Alles, was uns im Leben gelingt, verdanken wir einer Mischung aus Eigenleistung und Gnade. Wer der «Absender» dieser Gnade ist, spielt dabei keine Rolle, wir können ihn Zufall nennen, oder Schicksal, oder Gott. Entscheidend ist einzig die Einsicht, dass wir im Leben Geschenke erhalten, die wir uns nicht verdient haben, deren wir uns jedoch würdig erweisen können.
Dankbarkeit verstärkt und vertieft unsere Zufriedenheit. Gründe für dankbare Zufriedenheit gibt es in jedem Leben genug. Man muss sie nur sehen. Und zufrieden sein wollen. Dankbare Zufriedenheit mag auf den ersten Blick als unscheinbarer Wert erscheinen, verglichen etwa mit stolzem Glück. Doch bei näherer Betrachtung erweist sich dankbare Zufriedenheit als Wert von unschätzbarem Wert.
Andreas Giger
Für nachhaltige Lebensqualität