Nachruf
Elisabeth Kunz-Langenauer, Pionierin der politischen Gleichstellung der Frauen

Am 27. Mai ist Elisabeth Kunz-Langenauer, erste Ausserrhoder Kantonsratspräsidentin, im Alter von fast 80 Jahren verstorben. Sie war eine Pionierin der politischen Gleichstellung der Frauen, deren Leben exemplarisch für diese schwierige Zeit im Kanton steht.

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Elisabeth Kunz-Langenauer war erste Kantonsratspräsidentin in Ausserrhoden.

Elisabeth Kunz-Langenauer war erste Kantonsratspräsidentin in Ausserrhoden.

Bild: PD

Elisabeth Kunz-Langenauer wurde am 8. Oktober 1942 in Rehetobel als zweites von vier Kindern in eine Familie geboren, deren Vater sein Leben zu grossen Teilen der Politik widmete. Ihr Vater war Gemeinderat, Gemeindehauptmann, Regierungsrat, prägender Landammann und Nationalrat. Dass Elisabeth Kunz in diesem Umfeld politisiert wurde, erstaunt nicht. Der Vater und ihre aktive, geschäftstüchtige Mutter führten auch eine Weberei mit einigen Angestellten, was Elisabeth Kunz von klein auf auch die ökonomischen Erfordernisse der Familie erleben liess. Sie behielt bis ins hohe Alter ihren prägnanten Vorderländer-Dialekt; unvergessen, wie sie als Kantonsratspräsidentin jeweils Kantonsrat Lääch (Hansruedi Laich) aufrief.

Nach der Ausbildung als Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin arbeitete sie in Wolfhalden, wo sie bald ihren Jugendfreund Richard Kunz, Sekundarlehrer, heiratete. Mit ihm erlebte sie spannende Jahre, in denen sie zuerst das Internat einer Privatschule in Flims leiteten und dann während sieben Jahren an der Schweizer Schule in Mexico arbeiteten. Diese internationale Erfahrung spürte man bei Elisabeth Kunz. Sie war offen, tolerant, akzeptierend und freute sich an der Individualität der Menschen um sie herum. In diesen Jahren kamen ihre drei Söhne Michael, Stephan und Daniel zu Welt. 1975 kehrte die Familie in die Schweiz zurück, nach Herisau.

Männer nicht «vertäuben»

Dass diese aufgeschlossene, politisch interessierte und gebildete Frau sich nicht mit dem fehlenden Frauenstimm- und -wahlrecht anfreunden konnte, erstaunt nicht. Sie kämpfte im Kreis vieler gleichgesinnter Frauen für die politische Gleichberechtigung; stetig, ausdauernd, ja hartnäckig und dennoch freundlich. Zu gut wusste sie, dass man die Appenzeller Männer gewinnen musste und nicht «vertäuben» durfte. Den typisch appenzellischen Trotz wollte sie nicht wecken!

Die Freude war gross, als die Landsgemeinde 1989 endlich Ja sagte zum Frauenstimm- und -wahlrecht und bereits zwei Monate später war sie als erste Frau, zusammen mit Rosmarie Nüesch aus Teufen, Kantonsrätin. Diese Aufgabe erfüllte sie; ihr gelangen Allianzen, Kompromisse und ihre Stimme fand Gehör im Rat, und so wurde sie bereits einige Jahr später ins Büro des Kantonsrates gewählt, dessen erste Präsidentin sie in den Jahren 1999–2001 war. Kunz führte den Kantonsrat mit Umsicht, Klarheit, Durchsetzungsvermögen und stets mit freundlicher Wärme, was der Atmosphäre im Kantonsratssaal zugutekam. 2001, nach den beiden Präsidialjahren, trat Elisabeth Kunz-Langenauer nach zwölfjähriger Kantonsratsarbeit zurück. Eine wichtige Stimme fehlte ab da.

Höchster Frauenanteil

Unterdessen waren auch in Ausserrhoden die Frauen politisch auf dem Vormarsch. 1994 wurden zwei Regierungsrätinnen gewählt und im Kantonsrat arbeiteten immer mehr Frauen am Geschick des Kantons mit. Elisabeth Kunz bot vielen politisierenden Frauen Unterstützung – auch der Unterzeichnenden – und arbeitete solidarisch daran, den Frauen den Weg zu ebnen. In diesen Jahren hatte Appenzell Ausserrhoden, zusammen mit Genf, den höchsten Frauenanteil im Parlament.

Nicht erfolgreich war, vereint mit vielen Mitstreitenden, der Kampf zur Erhaltung der Landsgemeinde. Dieser Verlust machte sie traurig; auch hier war sie in der Gemeinschaft vieler bis heute enttäuschter Ausserrhoderinnen und Ausserrhoder.

Ehrenamtliche Arbeit

Nach dem Rücktritt als Kantonsrätin engagierte sich Elisabeth Kunz im sozialen und kirchlichen Bereich. Dies entsprach ihrer Werthaltung, dass unser Zusammenleben die ehrenamtliche Freiwilligenarbeit der dazu fähigen Menschen braucht. Sie engagierte sich in der Stiftung Tosam und im Wohnheim Kreuzstrasse. Im kirchlichen Bereich war sie Mitglied der Kirchenvorsteherschaft, davon zwei Jahre als Interimspräsidentin. All ihre Aufgaben nahm Elisabeth ernst und lebte sie mit Zuverlässigkeit, gepaart mit weiblicher, ja mütterlicher Wärme.

Familiär erfreute sie sich an der Zweisamkeit mit ihrem Mann Richard, ihrer grossen Familie und an der sporadischen Betreuung ihrer Grosskinder. Bis vor anderthalb Jahren lebten sie in ihrem schönen Haus mit grossem Garten an der Burghalde, bis sie in eine der neugebauten Wohnungen der Stiftung Altersbetreuung im Heinrichsbad umsiedelten.

«Mit Alzheimer gelebt»

Elisabeth Kunz erkrankte an Alzheimer, was ihr zunehmend auch körperliche Beschwerden verursachte. Liebevoll betreut von ihrem Ehemann, schrieb er mir, dass er überzeugt sei, dass Elisabeth «mit Alzheimer leben» konnte und weniger an «Alzheimer leiden» musste. Richard Kunz empfand es auch als tröstliche Symbolik, dass sie in der Auffahrtsnacht ruhig einschlafen durfte.

Mit Elisabeth Kunz-Langenauer verliert unser Kanton eine Pionierin in mehreren Lebensbereichen. So wollen wir dankbar sein für ihr segensreiches Wirken im Dienste unserer Gemeinschaft.

Marianne Kleiner-Schläpfer
Alt Landammann