Im letzten Sommer waren die Jugendlichen von Krinau auf einem Ausflug in Lindau. Mit dem Kanu fuhren wir von Bregenz in die Stadt, deren Bahnhof auf einer Halbinsel steht und wo die Romanfigur «Der liebe Augustin» gewohnt hat.
Im letzten Sommer waren die Jugendlichen von Krinau auf einem Ausflug in Lindau. Mit dem Kanu fuhren wir von Bregenz in die Stadt, deren Bahnhof auf einer Halbinsel steht und wo die Romanfigur «Der liebe Augustin» gewohnt hat.
In der Jugendherberge fanden wir Unterkunft, und am folgenden Tag entdeckte ich in der reformierten Kirche ein kleines Büchlein. «Gebet des Windes» und «Gebet einer Brücke» lauten die Überschriften über den wenigen Seiten, und die kurzen Texte verknüpfen den Alltag mit dem Sinn des Lebens, der uns alle angeht und in besonderen Situationen plötzlich trifft und betroffen macht. Die Weihnachtszeit ist eine solche besondere Situation. Das Jahr geht bald zu Ende, die Geschenke winken aus Katalogen und Schaufenstern, die Bescherung am Heiligabend wird vorbereitet. Der Heilige Abend und die Weihnachtstage sind besondere Tage. Mit Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht Herbsttag lässt sich sagen: «Wer an diesen Tagen allein ist, der empfindet das Alleinsein besonders stark.» Wir alle wissen, dass die Weihnachts- und Neujahrstage mit besonderen Erwartungen überladen sind. Denn wir wollen so gerne an einem Ort zu Hause sein. Zu Hause sein heisst: Ich bin angenommen mit all dem, was mich beschäftigt. Das ist die Erwartung in all den Familien, Patchwork-Familien und Lebensgemeinschaften, die sich in diesen Tagen treffen. Weihnachten sollen glückliche Tage sein.
Genau in diesen Zwiespalt zwischen Hoffnung und Realität trifft das «Gebet einer Kaufhaustür» aus dem Gebetsbüchlein. Es nimmt eine Alltagssituation auf, die alle Menschen erleben, die Geschenke kaufen. «Ich gehe von selber auf. Wenn jemand mir nahe kommt, öffne ich mich wie von unsichtbarer Hand. Meist haben es die Leute eilig. Sie wollen schnell ans Ziel kommen. Ich mache es ihnen leicht. Bepackt und beladen kehren sie zurück und gehen durch mich wieder hindurch. Manchmal, o Gott, möchte ich eine Tür sein, durch die Menschen bepackt und beladen hereinkommen und entlastet wieder hinausgehen.
Das «Gebet einer Kaufhaustür» trifft entwaffnend leicht den Kern von Weihnachten. Geschenke sind etwas Schönes. Aber, Hand aufs Herz: Wie viele Geschenke suchen wir mühselig zusammen? Wie viele Geschenke sind für die Schenkenden eher eine Verlegenheitslösung als eine Freude, das richtige Geschenk gefunden zu haben? Und wie oft rümpfen wir selber die Nase über ein Geschenk und sagen: Naja, das brauche ich eigentlich nicht. Der Kern von Weihnachten ist nicht, einander Geschenke zu schenken, die wir nicht brauchen können und daher auch keine Freude haben und keine Freude zeigen können. Weihnachten ist, wenn es mir leichter zumute ist als vorher. Darum ist es eine schöne Vorstellung, an Weihnachten auf eine verkehrte Warenhaustür zu treffen. Eine Tür, durch die Menschen vollbepackt mit Gedanken hineingehen und entlastet wieder herausgehen. Ich möchte gerne eine solche verkehrte Warenhaustür sein. Und ich bin auch dankbar, wenn ich auf eine solche verkehrte Warenhaustür treffe. Eine Tür, die mich entlastet von dem, was mich bedrückt, wenn ich durch sie hineingehe. Die christliche Tradition hat wunderschöne Bilder gefunden dafür, wie man sich dann fühlt: «Fröhlich soll mein Herze springen dieser Zeit, da vor Freud alle Engel singen.» Ich freue mich, wenn Ihr Herz an Weihnachten vor Freude zu hüpfen beginnt.