Hier und anderswo

Dass der Appenzeller etwas in der Vergangenheit steckengeblieben ist, kann natürlich von verschiedenen Positionen interpretiert werden, da sind der Lust des Goodwills oder der hieb- und stichfesten Gesellschaftskritik keine Grenzen gesetzt.

Paul Gisi
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Bild: Paul Gisi

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Dass der Appenzeller etwas in der Vergangenheit steckengeblieben ist, kann natürlich von verschiedenen Positionen interpretiert werden, da sind der Lust des Goodwills oder der hieb- und stichfesten Gesellschaftskritik keine Grenzen gesetzt. Die Zeitprobleme sind enorm, intellektuell bedrängend. Die Selbstmordrate in diesem Zwergkanton ist riesengross, Abzocker tummeln sich ungerührt, bei gewissen Missständen in einem Altersheim wird es einem schlecht. Doch was geschieht: Es wird gejuchzt, ruugguusselet, Jodelchöre jodeln seit Jahrzehnten schier jeden Samstagabend in der Mehrzweckhalle, Turnvereine spielen an ihren Unterhaltungsabenden ordinäres, schlüpfriges Theater, die Leute kommen zu Hunderten. Jaja, hinter den sieben Bergen geht die Sau ab.

Ich möchte nur mit St. Güllen vergleichen, da ist es gleich, nur anders. Graue oder kahle «Kunstförderer», die den Ton angeben, sind weniger mehr als Erbsenzähler, man lasse sich nicht täuschen über diesen Clan der Kunstverhinderer. Es gibt einen Kunstkuchen, der von ein paar Potentaten zelebriert wird, selbsternannte Kritikerpäpste, die in ihrer Tugend der unbefleckten Empfängnis alles verhindern, was nicht ihrer Borniertheit entspricht.

Was ist Provinz? Das ist ein Feiern des eignen blinden Flecks, der ewigen Tradition – so zu tun, als wären sie, die Bewohner der Provinz, die Weltbesten. In der stupiden Wiederholung ereifert sich der Provinzler.

Derweil könnte man Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke, Bernhard von Clairvaux lesen, ein Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart oder eine Sinfonie von Anton Bruckner hören, oder – warum auch nicht? – eine reich verzweigte Erzählung, einen langen Brief an einen geliebten Menschen schreiben, Ölfarben kaufen und ein Bild malen, bei einem alten spanischen Brandy über die Mystik reden.