Apropos Dekadenz

Brosmete

Patrik Kobler
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Ich musste schmunzeln, als am vergangenen Samstag an dieser Stelle Erich Fässler den Vormarsch der Dekadenz beklagte. Auf seinem Spaziergang hatten ihm nämlich zwei Jünglinge ihre «blutten Ärsche» entgegengestreckt. Freilich amüsierte ich mich nicht über diese ungewöhnliche Begegnung, sondern über einen Zufall. Denn ich hatte unmittelbar vorher eine Geschichte über Lucian Freud und Francis Bacon gelesen und erfahren, dass Lucian als Jugendlicher nicht das geringste Interesse an sozialen Gepflogenheiten hatte. Der Enkel von Sigmund Freud wurde sogar der Schule verwiesen, nachdem er auf offener Strasse die Hose runtergelassen und den Passanten seinen Hintern gezeigt hatte. Allerdings spielte sich das nicht vor einigen Tagen im Appenzellerland ab, sondern vor gut 80 Jahren im englischen Bournemouth.

Auch Francis Bacons Jugendzeit verlief schillernd. Er wurde einst vom Vater aus dem Haus geworfen, weil ihn dieser erwischte, wie er in Mutters Dessous vor dem Spiegel stand. Später bot er in der «Times» seine Dienste als Herrenbegleiter an. Bacon sei von Anfragen überhäuft worden. Diese anrüchigen Inserate erschienen damals übrigens noch auf der Titelseite.

Diese dekadenten Früchtchen haben es aber trotzdem zu etwas gebracht, gehören die beiden Briten doch zu den bedeutendsten Malern des 20. Jahrhunderts. Bacons Triptychon «Three Studies of Lucian Freud» zählt mit einem Preis von sage und schreibe 142 Millionen Franken zu den teuersten Kunstwerken der Welt.

Patrik Kobler

Mehr über die Freundschaft zwischen Lucian Freud und Francis Bacon gibt es im Buch «Kunst und Rivalität» von Sebastian Smee zu lesen.