«Verhindert das Parlament Innovation?», Ausgabe vom 23. September
Es ist wahrscheinlich korrekt, dass die Gentechnik bis jetzt keine direkten negativen Folgen zeitigte. Bei den indirekten Folgen sieht es anders aus. Und diese gehen leider oft vergessen, jetzt auch bei Crispr/Cas. Was für eine Euphorie herrschte damals in den Anfängen der so genannten grünen Gentechnik. Der Welthunger würde besiegt! Viel ökologischer! Heute wissen wir: Die Gentechnik im Agrarbereich hat nicht mehr Ökologie, sondern weniger gebracht, und der Welthunger wurde nicht besiegt. Ursache? Die Gentechnik zementiert eine alles andere als nachhaltige Form der Landwirtschaft. Nämlich eine Landwirtschaft der Monokulturen und des übermässigen Pestizideinsatzes und der deshalb riesigen Bedrohung für die Biodiversität. Zu denken, es würde mit Crispr/Cas anders sein als mit der herkömmlichen Gentechnik, ist naiv. Trockenheitstoleranz und Krankheitsresistenzen lassen sich nicht per Schnippschapp herbeiführen. Die Natur funktioniert nicht so.
Was wir brauchen, um die Landwirtschaft nachhaltig zu gestalten und auch fit zu machen für den Klimawandel, ist nicht Crispr/Cas, sondern ein bisschen mehr systemisches Denken. Nicht die lineare Denkweise der Gentechnikwissenschaftler und der Agrarkonzerne ist gefragt, sondern die systemische Denkweise der Biolandbaupioniere. Gesamtheitliches Denken ist die Lösung für eine nachhaltige Landwirtschaft und für eine nachhaltige Ernährung. Wir müssen zuerst darüber diskutieren, welche Landwirtschaft wir wollen, und erst dann über die Technologien reden. Nicht anders herum. Dann aber kann auch Crispr/Cas durchaus Teil der Lösung sein.
Niklaus Iten, Kriens