Uno-Sicherheitsrat
Nur Mut, Helvetia!

«Die Schweiz nervt die Grossmächte. Gut so, das ist genau ihre Aufgabe. Umso berechtigter ist ihre geplante Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat.» Das schreibt Stefan Schmid, Ressortleiter Inland, in seiner Analyse zur geplanten Kandidatur.

Stefan Schmid
Stefan Schmid
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Der Saal des UNO-Sicherheitsrates in New York

Der Saal des UNO-Sicherheitsrates in New York

Keystone

Die Schweiz will Mitglied im UNO-Sicherheitsrat werden. Gut so, doch der Reihe nach.

Es handelt sich um das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen. Es versucht, Konflikte zu entschärfen, verhängt je nach Situation Sanktionen und beschliesst im Extremfall militärische Zwangsmassnahmen.

So beschloss der Sicherheitsrat 2011 den Militäreinsatz gegen das Gaddafi-Regime. Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs – Frankreich, Grossbritannien, Russland, USA und China – sind ständige Mitglieder und haben ein Vetorecht. Zehn Länder sind nichtständige Mitglieder und werden nach einem regionalen Verteilschlüssel für jeweils zwei Jahre von der Generalversammlung gewählt. Der Bundesrat strebt eine Kandidatur für die Jahre 2023/24 an. Initiiert hat das Projekt die ehemalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (SP). Vorangetrieben wird es nun von ihrem freisinnigen Nachfolger Didier Burkhalter.

Unvereinbar mit Neutralität?

Die Pläne der Landesregierung stossen im Inland vorab im nationalkonservativen Lager auf scharfe Kritik. Die SVP findet, ein Sitz im UNO-Sicherheitsrat sei mit der schweizerischen Neutralität nicht vereinbar. Sie erhielt diese Woche Support aus diplomatischen Kreisen.

Alt Botschafter Paul Widmer formuliert seine grundsätzlichen Vorbehalte in der «Neuen Zürcher Zeitung» so: «Eine Schweiz im Sicherheitsrat würde in delikaten Fragen entweder mit ihren häufigen Enthaltungen ein ohnehin schwaches Führungsorgan noch weiter schwächen oder sonst mit ihrer Parteinahme ihre Neutralität gefährden.»

Der Sicherheitsrat sei, schreibt Widmer, ein Führungsorgan, das in Konflikten Partei ergreifen müsse. Das sei das Gegenteil von dem, was einem neutralen Staat auferlegt sei. Der Bundesrat freilich ist anderer Auffassung: Eine Mitgliedschaft im Sicherheitsrat sei mit der Neutralitätspolitik problemlos vereinbar, schreibt er in seinem Bericht von Anfang Juni. Und: «Die Erfahrung des OSZE-Vorsitzes hat gezeigt, dass die Schweiz mit einem solchen Engagement die Glaubwürdigkeit ihrer Aussenpolitik stärken und die Kompetenz und Zuverlässigkeit ihrer Diplomatie unter Beweis stellen könnte.»

Was trifft nun zu? Auseinanderhalten muss man das Neutralitätsrecht und die Neutralitätspolitik. Das Haager Abkommen von 1907 hält Rechte und Pflichten des neutralen Staates fest.

Zentral ist dabei die Nichtteilnahme an einem Krieg. Der Neutrale ist zudem verpflichtet, auf Waffenlieferungen an Kriegsparteien zu verzichten. So betrachtet ist die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat unproblematisch.

Die Schweiz wird auch künftig nicht gezwungen, an Kriegen teilzunehmen. Die Neutralitätspolitik hingegen kommt in Friedenszeiten zur Anwendung und soll die Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit der Neutralität sichern. Sie ist per Definition flexibel und kann äusseren Umständen angepasst werden.

Hier liegt des Pudels Kern: Für die Nationalkonservativen müsste sich die Schweiz grösster Zurückhaltung befleissigen und auf jegliche Kommentierung des internationalen Geschehens verzichten. Der Bundesrat sieht das anders. Seit dem Ende des Kalten Kriegs ist er schrittweise zu einer aktiven Neutralität übergegangen. Die Schweiz schweigt nicht mehr in allen vier Landessprachen. Sie macht sich aussenpolitisch bemerkbar, wenn sie es für opportun hält.

Aktive Aussenpolitik

Die Zeiten, in denen sich Aussenpolitik auf wirtschaftliche Aktivitäten beschränkte und das Zepter im altehrwürdigen Bundesamt für Aussenwirtschaft geschwungen wurde, sind vorbei. Die geplante Kandidatur für das mächtigste UNO-Gremium ist daher die Konsequenz dieser aktiven Neutralitätspolitik.

Wenn sich das Land einbringen will, wenn es wahrgenommen und gehört werden will, dann muss es dort präsent sein, wo tatsächlich Entscheide gefällt werden. Andere UNO-Gremien sind gut und recht – die Musik spielt im Sicherheitsrat.

Die Kandidatur ist auch deshalb konsequent, weil die Schweiz im Rahmen ihrer mittlerweile gut dreizehnjährigen Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen durch reformerischen Elan und eine schöne Prise Nonkonformität positiv aufgefallen ist. Andere, vorwiegend kleinere Länder, haben sich dem helvetischen Reformzug angeschlossen. Unser Land nervt die Grossmächte mit Plänen, das antiquierte Vetorecht zu relativieren.

Gut so, das ist genau seine Aufgabe. Die Schweiz muss sich mit ihrer stabilen Demokratie und der langen Erfahrung im Konfliktmanagement international weiss Gott nicht verstecken.