Wie kann uns das Leid der aussterbenden Tier- und Pflanzenarten sonst derart kalt lassen?
Sigmund Freud bringt es auf den Punkt: «Endlich ist alles Leid nur Empfindung, es besteht nur, insofern wir es verspüren.» Sind wir also auf empathischer Ebene tot? Wie kann uns das Leid der aussterbenden Tier- und Pflanzenarten sonst derart kalt lassen? Muss die Welt kurz vor dem Abgrund stehen, damit man sich persönlich betroffen fühlt und aus Einsicht Handlung entsteht? Sieht ganz so aus. Aber nicht mal dann, wie man heute erkennt.
Wer denkt, als kleines Individuum im grossen Ganzen nichts ausrichten zu können, dem fehlt es ganz einfach an der Bestrebung, sich die Fähigkeit der empathischen Wahrnehmung anzueignen oder sie aufzufrischen.
Fangen wir ganz von vorne an: Wahrnehmung bedeutet die Perspektive auf die Welt eines Wesens. Da der ach so tolle Mensch zum abstrakten Denken fähig ist, sollte es für ihn kein Problem sein, sich in die Perspektive eines Urwaldbewohners zu versetzen. Ich spare mir die Abhandlung darüber, ob diese Perspektive ein gutes oder ein schlechtes Gefühl in Bezug auf die Lebensumstände ergibt.
Was ich sagen will, ist, dass jeder Mensch zu verflochtener Empathie fähig wäre. Das heisst, er ist fähig, einen Prozess zu durchlaufen, aus dem er ein angemessenes Verständnis eines in einer Situation befindlichen Wesens erlangt.
Wer viele Perspektiven sammelt und sie unter einem Ganzen vereint, kann seinen Empfindungshorizont nur erweitern. Die Folge sollte eine Umstellung des Lebensstils beinhalten, ansonsten muss man sich eingestehen, eine menschliche Fähigkeit nicht zu besitzen oder ein Anhänger des Speziesismus zu sein.
Man muss nicht gleich Nietzsches Übermensch-Anforderungen erfüllen, doch die Richtung wäre die richtige.