«Je mehr wir auf die Dienste von Algorithmen vertrauen, desto mehr sind wir von einem fehleranfälligen Informationssystem abhängig», schreibt Raffael Schuppisser in seiner Analyse zu den Chancen der Digitalisierung, anlässlich des ersten Digitaltags.
Bei den SBB ist derzeit häufiger mit Verspätungen und Zugausfällen zu rechnen. Der Grund dafür liegt in einem Computerprogramm. Für die Dienstplanung hat das Unternehmen Anfang Monat eine neue Software eingeführt, seither kommt es bei der Zuteilung von Lokomotivführern auf die jeweiligen Züge zu Fehlern. Mit den Tücken der Technologie hat auch die Swisscom zu kämpfen: Die Umstellung vom analogen auf das digitale Telefonnetz klappt nicht wunschgemäss. Kunden reklamieren, dass ihnen der Anschluss gekappt worden ist, ohne dass die neue Leitung funktioniere. Und auch die Migros hat mit den Problemen der Digitalisierung zu kämpfen: Der Tochter-Firma Digitec-Galaxus wurden sensible Kundendaten gestohlen. Wie letzte Woche bekannt geworden ist, werden diese nun von Hackern missbraucht.
SBB, Swisscom und Migros – diese drei grossen Schweizer Unternehmen sind alle Partner des heute stattfindenden ersten Schweizer Digitaltags: eines mit viel Brimborium inszenierten Aktionstags, an dem der Bevölkerung im ganzen Land die Chancen der Digitalisierung aufgezeigt werden sollen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass just jene Unternehmen, die sich als grosse Vorreiter der digitalen Revolution darstellen, derzeit mit den Problemen derselben zu kämpfen haben. Hohn wäre aber fehl am Platz. Denn es zeigt sich in den erwähnten Schwierigkeiten vor allem eine der Digitalisierung immanente Problematik: Je mehr wir auf die Dienste von Algorithmen vertrauen, desto mehr sind wir von einem Informationssystem abhängig, das grundsätzlich fehleranfällig und unsicher ist.
Software soll unser Leben vereinfachen, indem Prozesse automatisiert ablaufen. So wird zwar Arbeit vom Computer erledigt, die früher Menschen verrichten mussten; gleichzeitig braucht es aber eine Heerschar von Menschen, welche diese Programme schreiben – und noch einmal mindestens so viele, um sie zu kontrollieren. So haben nun die SBB gemäss «NZZ am Sonntag» eine Task-Force eingesetzt, um die Probleme zu beheben, welche die Dienstplanungssoftware verursacht hat. Und Facebook – um auch ein Beispiel aus dem Silicon Valley anzuführen – will 10 000 neue Mitarbeiter einstellen, welche sich um die Sicherheit der Plattform kümmern und Fake News verbannen. Damit wird die Belegschaft des Unternehmens um fast 50 Prozent aufgestockt.
Die Digitalisierung hat zwar viele Jobs vernichtet, doch noch mehr neue geschaffen. So schreibt der Bundesrat in einem Anfang Monat publizierten Bericht: «Der technologische Fortschritt von 1996 bis 2017 hat ein anhaltendes Stellenwachstum ermöglicht.» Doch daraus abzuleiten, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird, wäre zu einfach. Denn die Fortschritte, welche die Entwicklung der künstlichen Intelligenz derzeit macht, lassen vermuten, dass Maschinen uns in Zukunft kognitiv in allen Belangen überlegen sein werden und selbstständig lernen, zu lernen. Ihre Fehler werden sie dann selber eliminieren, ihre Entwicklung selbstständig optimieren. Legionen von Informatikern könnten so arbeitslos werden; nachdem zuvor schon die Lokomotivführer, die Sachbearbeiter und die Steuerberater von Algorithmen ersetzt worden sind.
Das muss nicht schlecht sein. Denn es ist ja nicht so, dass die Arbeit, der die Bevölkerung täglich nachgeht, allen Spass machen würde. Der deutsche Philosoph Richard David Precht sieht darin schon fast ein utopisches Szenario und zieht einen Vergleich zum alten Griechenland, in dem die Arbeit von Frauen, Sklaven und Ausländern verrichtet wurde, während die Männer den intrinsischen Tätigkeiten nachgingen. «Die Frauen, Sklaven und Ausländer der Zukunft werden Computer und Roboter sein», sagt Precht.
Trotz der schönen neuen Möglichkeiten der Technologie: Ohne dass die Menschheit die richtigen Weichen stellt, werden in der Welt der Zukunft keine solchen paradiesisch anmutenden Zustände herrschen. An einem Digitaltag über die Chancen und Gefahren der Umwälzung zu diskutieren, kann da nicht schaden. Sicher ist auch: Bis wir die Arbeit los sind, müssen SBB, Swisscom, Migros und Co. noch eine Menge Softwareprobleme lösen.