Die Vereinigten Staaten wollen Chinas Griff nach der Weltmacht vereiteln. Für Demokratien wie die Schweiz ist das im Prinzip eine gute Nachricht. Dennoch geraten sie unter Zugzwang.
Er dürfte keine Freude haben an diesem Text, der chinesische Generalkonsul von Zürich, der mich kürzlich zu einem «Austausch mit den freundlichen Medien» eingeladen hat.
Das Thema dieser Analyse sind die weltpolitischen Umwälzungen der letzten 14 Tage. Ereignisse, deren geopolitische Symbolkraft nicht hoch genug zu bewerten sind. Und die auch unser Land betreffen.
Ausgangspunkt ist die neue Militärallianz zwischen Australien, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika. Das Bündnis mit dem Akronym Aukus dient, wie der renommierte französische Thinktank Institut Montaigne schreibt, der Abschreckung Chinas. Die australische Navy soll mit US-Atom-U-Booten ausgerüstet werden. Und die drei englischsprachigen Länder wollen in Sachen Quantenphysik, Robotertechnik und künstlicher Intelligenz eng zusammenarbeiten.
Es geht nicht darum, einen Krieg gegen China vorzubereiten, es geht darum, einen solchen dank hoher militärischer Bereitschaft im indo-pazifischen Ozean zu verhindern.
«China muss überzeugt werden, dass es mit militärischen Mitteln keine politischen Ziele erreichen kann», hält das Montaigne-Institut in seinen Analysen fest. Konkret geht es darum, den Preis für eine chinesische Invasion Taiwans in die Höhe zu treiben.
Doch der Zusammenschluss hat eine Symbolik weit über das südchinesische Meer hinaus. Das Signal, das Joe Biden aussendet, ist klar: Die USA als dominante Macht des 20. Jahrhunderts sind nicht bereit, diesen Platz in den kommenden Jahrzehnten freiwillig zu räumen. Zusammen mit anderen westlichen Demokratien soll die Pax Americana, eine Weltordnung, die massgeblich von den Werten der USA bestimmt wird, verteidigt werden.
Die Herausforderer dieser Ordnung sind autoritäre Staaten wie Russland und China. Beide haben zuletzt massiv aufgerüstet. Im Falle von China kommt eine wirtschaftliche Potenz dazu, die weiter zunimmt. Je nach Prognose könnte das Reich der Mitte die USA bereits ab 2030 als grösste Volkswirtschaft der Welt ablösen.
Daraus indes abzuleiten, die USA befänden sich unaufhaltsam im Niedergang, ist ein Trugschluss.
Bei aller Zerrissenheit der US-Gesellschaft: Die Geschichte zeigt, dass sich dieses Land immer wieder aufgerappelt hat, in entscheidenden Momenten zu Kraftakten fähig war. Vor allem aber übt das Land dank seiner freiheitlich-liberalen Wirtschaftsordnung und der gesellschaftlichen Diversität eine Anziehungskraft auf Menschen aus, von der China nur träumen kann.
Welche Forscherin zieht schon freiwillig nach Peking oder Hongkong, wenn sie auch in Boston oder New York ihr Brot verdienen kann? In einem Land, das die Menschen atmen lässt und nicht deren Gleichschaltung vorantreibt. China mag ein riesiger Markt sein, ein cooles Land, das junge, innovative Köpfe glücklich macht, scheint es nicht zu sein. Internationalen Medienberichten zufolge werden die Auflagen für westliche Firmen stets grösser. Die staatlichen Kontrollmechanismen zahlreicher. Vermehrt tragen sich Expats deshalb laut dem China-Korrespondenten der NZZ mit dem Gedanken, das Land zu verlassen.
Das Aukus-Bündnis ist auch eine Lektion an die lavierenden Kontinentaleuropäer, die zwischen den USA und China möglichst neutral bleiben wollen, schreibt das Pariser Institut Montaigne. Das betrifft auch die Schweiz, die US-Kampfjets kaufen und gleichzeitig das Freihandelsabkommen mit China ausbauen möchte. Wie lange geht dieser politische Hochseilakt noch gut? Eine Schärfung der eigenen Position drängt sich auf.
Im 19. Jahrhundert beherrschte das «British Empire» mit seinen zahlreichen Kolonien und der Kontrolle der Handelswege die Welt. Mit dem 1. Weltkrieg lösten die USA diese europäische Dominanz ab und stiegen zur Weltmacht auf. Es deutet vieles darauf hin, dass sie diese Position auch gegenüber einem stärker werdenden China im 21. Jahrhundert werden verteidigen können.