Regierungsratswahlen
Jacqueline Fehr hält Kritik aus und setzt sich durch – dafür hält sie auch Lob von rechts

Jacqueline Fehr (SP) will sich seit jeher für jene einsetzen, die nicht auf Rosen gebettet sind – das birgt auch Risiken.

David Egger
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Schon als Kind wurde sie politisiert – die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr, hier in einer Sitzecke im Kaspar-Escher-Haus am Neumühlequai, wo sich ihr Büro befindet.

Schon als Kind wurde sie politisiert – die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr, hier in einer Sitzecke im Kaspar-Escher-Haus am Neumühlequai, wo sich ihr Büro befindet.

Sandra Ardizzone

Diese Tränen haben Jacqueline Fehr (SP) geprägt. Geflossen sind sie, als ihre spanischen und italienischen Freundinnen ihr erzählten, dass sie das Land wohl wieder verlassen müssen, zusammen mit ihren Vätern, den Gastarbeitern. Stichwort: Schwarzenbach-Initiative.

An die Tränen erinnert sich Fehr, wenn man sie fragt, was sie politisiert hat. Es gibt noch weitere prägende Erinnerungen. Die Frauenbewegung in den 90ern zum Beispiel, oder dass sie in Elgg bei Winterthur in einfachem Haus aufgewachsen ist. Sie ging ans Gymi. Die Eltern erinnerten sie stets daran, wie viel sie koste. Dann: der Aufstieg. Stadtparlamentarierin, Kantonsrätin und Nationalrätin.

2015 wurde die heute 59-jährige Winterthurerin auf dem siebten Platz in die siebenköpfige Zürcher Regierung gewählt. 2019 holte sie sich schon den zweiten Platz. Glaubt man den Umfragen, schafft sie die Wiederwahl, diesmal aber mit einer Platzierung etwas weiter hinten.

Sie hat schon die Statthalter-Affäre überstanden

Eine Erklärung: der Datenskandal. Noch vor Fehrs Zeit an der Spitze der Direktion der Justiz und des Innern wurden jahrelang Datenträger unsachgemäss entsorgt, sodass sie auch im Milieu landeten. In anderem Zusammenhang wurden 2019 bei einer Aufräumaktion Papierakten der Justizdirektion vernichtet. Darum, und weil sie spät kommuniziert hat, steht Fehr in der Kritik. Sie machte klar, dass sie eine Aufarbeitung der Affäre begrüsse. Es wird voraussichtlich eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) geben.

Aber sie dürfte den Datenskandal überstehen. Sie hat schon die Dietiker Statthalter-Affäre überstanden. 2015 entliess sie den Statthalter Adrian Leimgrübler, doch lief juristisch nicht alles korrekt – «ein Formfehler», wie sie sagt – und er verpasste dann 2017 die Wiederwahl.

Als Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern hat Jacqueline Fehr das «Amt für Justizvollzug» in «Justizvollzung und Wiedereingliederung» umbenannt.

Als Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern hat Jacqueline Fehr das «Amt für Justizvollzug» in «Justizvollzung und Wiedereingliederung» umbenannt.

Sandra Ardizzone

Zurück zu jenen, die nicht auf Rosen gebettet sind: Ihre Situation gilt es zu verbessern, ist für Fehr klar. Es ist schon lange ihr Antrieb.

Auch für Häftlinge setzt sie sich ein. Am Stammtisch ist damit kein Blumentopf zu gewinnen, dennoch setzt Fehr solche Schwerpunkte. Aus Überzeugung, denn es geht ihr um mehr. Das Ziel: Wer das Gefängnis verlässt, soll möglichst wieder als Teil der Gesellschaft funktionieren – die Rückfallquote von Straftätern soll sinken, was letztlich die Sicherheit im Kanton erhöht. Das grosse Symbol für diesen Ansatz von Fehr: 2019 benannte sie das «Amt für Justizvollzug» um in «Justizvollzug und Wiedereingliederung».

Einen besonderen Fokus legte Fehr auf die Untersuchungshaft. Hier geht es schliesslich um Personen, bei denen noch nicht klar ist, ob sie wirklich schuldig einsitzen. Durften sich Untersuchungshäftlinge früher nur rund eine Stunde pro Tag ausserhalb ihrer Zelle bewegen, sind es heute acht Stunden, in denen sie sich ausserhalb der Zelle beschäftigen können. Das Risiko, in der U-Haft einen psychischen Schaden zu erleiden und für lange Zeit oder gar für immer gebrochen zu sein, sinkt so.

Das Lernprogramm für Gewalttäter ist ein Erfolg

Ebenfalls für eine tiefere Rückfallquote will Fehr im Bereich häusliche Gewalt sorgen. Dafür gibt es das Lernprogramm «Partnerschaft ohne Gewalt», dessen Teilnehmerzahlen sich in den letzten Jahren vervielfacht haben. Bei Teilnehmern des Lernprogramms ist die Rückfallrate viel kleiner.

In ihrer elfseitigen Legislaturbilanz zählt Fehr noch viel mehr Errungenschaften auf, was einerseits der Vielseitigkeit der Direktion der Justiz und des Innern geschuldet ist, andererseits aber vor allem auch den grossen Gestaltungswillen von Fehr und ihren Angestellten zeigt. Wer gestaltet, eckt freilich auch immer wieder an. Zum Beispiel rechts, wenn man links gestaltet.

Für Irritation sorgte in der abgelaufenen Legislatur auch ein in 500-facher Ausführung gedrucktes 90-seitiges Büchlein zur Pensionierung des Amtsleiters von Justizvollzug und Wiedereingliederung letztes Jahr.

Lob erhält Fehr von links bis rechts wegen ihrer Durchsetzungsfähigkeit. Diese braucht, wer Althergebrachtes in Frage stellt und verändern will.