Urteil
Knabe 90 Meter mitgeschleift: Bezirksgericht Zürich spricht VBZ-Chauffeur frei

Ein elf Jähriger hatte seinen Fuss in der Bustür eingeklemmt und wurde mitgeschleppt. Der Knabe erlitt Schürfungen an Steissbein und Gesäss. Die Schuld des VBZ-Buschauffeur konnte nicht bewiesen werden.

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Das Gericht sprach den langjährigen Chauffeur nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» frei. (Symbolbild)

Das Gericht sprach den langjährigen Chauffeur nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» frei. (Symbolbild)

Keystone

Das Bezirksgericht Zürich hat am Freitag einen VBZ-Buschauffeur vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Der 54-Jährige stand vor Gericht, weil ein Knabe seinen Fuss in der Bustür eingeklemmt hatte und 90 Meter weit mitgeschleift wurde.

Der Richter bezeichnete es als «Riesenglück», dass nicht mehr passiert ist. Der 11-Jährige erlitt beim Unfall im Februar 2019 lediglich Schürfungen oberhalb des Steissbeins und am Gesäss. Angesichts der Tatsache, dass er 90 Meter mitgeschleift worden sei, hätten die Verletzungen viel stärker sein können, so der Richter.

Der Unfall passierte in Zürich-Affoltern, als der Knabe aus dem Bus steigen wollte. Um noch kurz mit seinem Kollegen fertig zu plaudern, stellte er den Fuss aufs Trittbrett, um den Bus so vor dem Abfahren zu hindern. Doch die Tür ging zu und der Chauffeur fuhr los. Erst als dieser die Rufe von erschreckten Passagieren hörte, stoppte er.

Türen alle korrekt verschlossen

Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, vor dem Abfahren den Blick in den rechten Rückspiegel unterlassen zu haben. Sonst hätte er ja gesehen, dass bei der hintersten Türe etwas nicht gestimmt habe.

Der Anwalt des Chauffeurs argumentierte jedoch, dass die Haltestelle in einer Linkskurve liege. Der Chauffeur habe das 18 Meter weit entfernte Ende seines Gelenkbusses deshalb gar nicht sehen können.

Zudem habe ihm das System nicht gemeldet, dass etwas nicht gestimmt habe. Die Türen seien alle korrekt verschlossen gewesen, sonst hätte der Chauffeur ja gar nicht abfahren können.

«Im Zweifel für den Angeklagten»

Das Gericht kam zum Schluss, dass nicht zweifelsfrei geklärt werden könne, was der Chauffeur wirklich sah und was nicht. Die Station sei tatsächlich in einer Linkskurve. Zudem müsse der Chauffeur auf die Technik vertrauen können, anders sei der Betrieb nicht möglich. Nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» sprach das Gericht den langjährigen Chauffeur deshalb frei. Er erhält nun 10'000 Franken Entschädigung für die Anwaltskosten.

Der Schweizer, der seit zwanzig Jahren als Chauffeur arbeitet, verweigerte vor Gericht jegliche Aussage. Allerdings nicht, weil ihm sein Anwalt aus taktischen Gründen dazu geraten hätte. Sondern vielmehr, weil er «erschüttert und überfordert» war.

Fraglich ist, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt hätte ermitteln dürfen und ob die Anklage zugelassen werden durfte. Für Strafverfahren gegen Staatsangestellte brauchen Ermittler nämlich eine richterliche Genehmigung. Diese lag aber erst vor, nachdem die Staatsanwaltschaft schon mehrere Monate an dem Fall dran war. Weil der Chauffeur ohnehin freigesprochen wurde, war dies für das Gericht aber nicht mehr relevant.