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Zürich
Seit zehn Jahren zählen die Pfahlbauer-Überreste im Zürichsee, Greifensee und Pfäffikersee zum Unesco-Weltkulturerbe. Nun sind ihnen mehrere Ausstellungen gewidmet. Und Erkenntnisse über ihr Alltagsleben gebündelt.
Was haben schlammige Holzpflöcke in unseren Seen mit der Chinesischen Mauer und den Pyramiden von Gizeh gemeinsam? Sie zählen zum Unesco-Weltkulturerbe. Und das seit zehn Jahren. Mehrere Ausstellungen im Raum Zürich zeugen anlässlich dieses Jubiläums von der Geschichte der Pfahlbauer (siehe Infobox am Ende dieses Texts). Zudem gaben Kantonsarchäologen und der Verein Zukunft Unesco-Welterbe Pfahlbauten am Donnerstag vor den Medien Einblick ins Alltagsleben dieser Vorfahren, die vor 6000 bis 3000 Jahren an den Ufern des Zürichsees, Greifensees und Pfäffikersees siedelten.
Zum Pfahlbau-Weltkulturerbe zählen 111 Siedlungsreste in der Schweiz, in Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien und Slowenien. Sieben davon befinden sich im Kanton Zürich. Genauer: am Zürichsee in Zürich vor dem Bellevue sowie beim Kongresshaus, in Erlenbach, Meilen und Wädenswil; zudem in Greifensee und in Wetzikon am Pfäffikersee. Insgesamt gibt es aber in den Ufergebieten der drei grossen Zürcher Seen weitaus mehr Pfahlbauer-Spuren. Denn die Pfahlbauer gaben ihre Siedlungen auf, sobald diese marode wurden oder das Umfeld abgewirtschaftet war. Dann zogen sie weiter am Seeufer und bauten ihre nächste Siedlung auf Pfählen.
Ein wichtiges Fortbewegungsmittel waren Einbäume, mit denen sie übers Wasser paddelten. Aber auch eines der weltweit ältesten Räder stammt aus einer Zürcher Pfahlbauer-Siedlung, wie Christian Harb von der Kantonsarchäologie sagte: Es entstand etwa 3200 vor Christus. Wagen mit Rädern setzten sich laut Harb um 3000 vor Christus als wichtige Transportmittel durch. Erfunden haben die Zürcher Pfahlbauer das Rad aber nicht. «Das waren die Slowenen», so Harb. Deren älteste Rad-Darstellungen sind rund 300 Jahre älter als das Zürcher Rad. Übrigens pflegten die Zürcher Pfahlbauer Tauschhandel bis nach Westfrankreich. Das belegt ein von dort stammender Feuerstein-Dolch.
Verkohlte Gerstenfunde weisen darauf hin, dass die Pfahlbauer Bier brauten. Auch eigens angebauter Schlafmohn gehörte zu ihrem Hausgebrauch, wie archäologische Funde belegen, die beim Neubau des Sechseläutenplatzes zutage traten. Gabriela Flüeler vom Verein Zukunft Welterbe Pfahlbauten geht davon aus, dass die Pfahlbauer durchaus um die berauschende Wirkung von Schlafmohn-Produkten wussten.
Gefundene Fadenknäuel und ein Hut aus Lindenbast bezeugen, dass die Zürcher Pfahlbauer dieses Material für ihre Kleider verwendeten. Auch Sandalen stellten sie aus Lindenbast her.
Zum Menuplan der Pfahlbauer zählten Fische, Schweine, Rinder, Ziegen, wilde Holzäpfel, Getreidebrei, Fladenbrot, Haselnüsse. Für den Hechtfang im Zürichsee verwendeten sie etwa ausgefeilte Harpunen aus Hirschgeweih.
Als Kaugummi verwendeten die Pfahlbauer Birkenpech, auf dem sie stundenlang herumkauten. Für die Archäologen ein Glücksfall, denn die Überbleibsel dieser Steinzeit-Kaugummis enthalten die DNA unserer Vorfahren. Genanalysen sollen nun zeigen, wie die Pfahlbauer aussahen – und inwiefern wir mit ihnen verwandt sind. Die Forschungsresultate lassen allerdings noch auf sich warten, wie Harb sagte.
Sie sind dem Verfall geweiht, wenn es so weitergeht wie seit dem 19. Jahrhundert. Denn je weniger Schilf es an den Ufern gibt, umso weniger Material lagert sich auf den Seeböden ab. Gleichzeitig erodieren die Seeboden-Ablagerungen, die die Pfahlbauten jahrtausendelang schützten, auch durch den Schiffsverkehr, wie Kantonsarchäologe Beat Eberschweiler sagte. Dieser Prozess sei schwer zu stoppen.
Mehrere Ausstellungen widmen sich derzeit im Raum Zürich den Pfahlbauern:
Zudem sind diverse Veranstaltungen geplant, Infos unter www.die-pfahlbauer-in.ch.