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Region (LiZ)
Überraschende Wende: Die Gemeinde-Tageskarten wird es auch in Zukunft geben – die Abschaffungspläne der öV-Branche sind vom Tisch. Das Produkt wird bis Ende 2020 unverändert angeboten.
Um den Vertrieb der Tageskarten zu vereinheitlichen, «soll die Gemeinde-Tageskarte schrittweise abgeschafft werden». So steht es in einem internen Planungspapier von ch-direct, der Tariforganisation des öffentlichen Verkehrs, vom März dieses Jahres. Die Zeitschrift «Beobachter» machte das Schreiben Anfang Mai publik.
Die Veröffentlichung sorgte damals für einen ziemlichen Wirbel. Gemeinden und Städte liefen gegen die Pläne der öV-Branche Sturm. Mit Erfolg: Wie sich nun zeigt, waren die Abschaffungspläne bereits bei einer Besprechung zwischen dem Schweizerischen Gemeindeverband und den öV-Anbietern von Anfang Juni kein Thema mehr. Im Gegenteil. Plötzlich war nur noch von einer «Weiterentwicklung» die Rede.
An dieser Sitzung sei beschlossen worden, das Produkt «Tageskarte Gemeinde» bis Ende 2020 unverändert anzubieten, sagt Claudia Hametner, stellvertretende Direktorin des Gemeindeverbands. «Um einen Missbrauch zu verhindern, soll die Gemeinde-Tageskarte jedoch per 2021 personalisiert werden.» Ab dann sollen nur noch persönliche Gemeinde-Tageskarten abgegeben werden, sagt Hametner.
Die öV-Anbieter werden dazu bis Ende August ein Konzept ausarbeiten. Die öV-Organisation ch-direct bestätigt die Angaben des Gemeindeverbandes. Und: Eine Abschaffung sei ohnehin «nie beschlossen» worden. Zürcher Politiker und Pro Bahn sind erfreut über den «Rückzieher» der öV-Branche.
Die Gemeinde-Tageskarte, dieses GA für einen Tag, ist dort, wo es sie gibt, heiss begehrt. Das belegen die Auslastungszahlen der Kommunen. Sie liegen in der Regel bei über 90 Prozent. Wie beliebt die Gemeinde-Tageskarte ist, zeigte sich auch im vergangenen Februar. Die Stimmberechtigten in Winterthur befürworteten damals mit einem Ja-Stimmen-Anteil von rund 85 Prozent einen Kredit zur Beschaffung von Gemeinde-Tageskarten.
Als deshalb nur wenige Monate später bekannt wurde, dass die Tariforganisation ch-direct die Gemeinde-Tageskarten abschaffen möchte, war der Frust auch in Winterthur gross. «Die Gedankengänge der SBB werden von der Stadt sehr bedauert», hiess es damals. Winterthur hatte sich danach im Rahmen einer Umfrage des Schweizerischen Städteverbandes und des Gemeindeverbandes zum Thema Tageskarten dafür eingesetzt, dass das Angebot bestehen bleibt.
Die Umfrage, an der rund 60 Städte teilgenommen haben, «ergab ein hohes Interesse an einer Weiterführung der Gemeinde-Tageskarte», sagt Renate Amstutz, Direktorin des Schweizerischen Städteverbandes. Die Auswertung der Umfrageergebnisse des Schweizerischen Gemeindeverbandes kam zum gleichen Schluss. «Die Gemeinden wünschen sich deshalb die Fortsetzung des Status quo, wollen also das Angebot in der jetzigen Form beibehalten», sagt Claudia Hametner, stellvertretende Direktorin des Gemeindeverbandes. Und das trotz der Tatsache, dass oft Mehrkosten entstehen – und die Tageskarten für einige Gemeinden ein Verlustgeschäft sind.
Offenbar hat die einhellige Meinung der Gemeinden, Städte und von Pro Bahn die öV-Anbieter derart unter Druck gesetzt, dass sie schliesslich ihre Abschaffungspläne fallen liessen. Klar ist, dass derzeit ausschliesslich die Weiterentwicklung der Tageskarte im Fokus steht.
Die ersten Reaktionen auf diesen Kurswechsel fallen positiv aus. «Das ist ein Schritt in die richtige Richtung», sagt FDP-Kantonsrat Jörg Kündig, Präsident des Gemeindepräsidentenverbandes des Kantons Zürich. Wichtig sei nun, dass die geplante Weiterentwicklung und Personalisierung der Gemeinde-Tageskarte kostenneutral sei. «Eine Abschaffung der Gemeinde-Tageskarte wäre ein falsches Zeichen gewesen», sagt Kündig. Die Stadt Winterthur zeigt sich ebenfalls erfreut darüber, dass die öV-Anbieter davon absehen, die Gemeinde-Tageskarte abzuschaffen. «Der Rückzieher der öV-Branche freut uns sehr», sagt auch Karin Blättler, Präsidentin von Pro Bahn Schweiz. «Wir bleiben weiterhin am Ball und im Gespräch mit ch-direct.»